14.Mai 2008

 

Mit Traurigkeit verfolge ich die Ereignisse in diesen Tagen nach dem Erdbeben vom 12. Mai. Es sind zwei Tage vergangen und erschreckende Bilder begleiten uns bei unserer Arbeit. Jeder von uns weiss, dass zum Glueck alles Erdenkliche unternommen wird seitens der Provinzregierungen und der staatlichen Institutionen, um in die schwer zugaenglichen Gebiete vorzudringen, die teilweise nur zu Fuss zu erreichen sind, den Menschen dort zu helfen. Ein riesiges Aufgebot an Militaer- und Hilfspersonal ist unterwegs in das Katastrophengebiet. Sofort wurden alle Flughaefen in der betroffenen Region nur noch fuer die notwendige Versorgung offen gehalten.  Sofortige Spendenaktionen gehen wie eine Lauffeuer durch das Land. Die Menschen zeigen grosse Anteilnahme und kurz entschlossenes Handeln. Jeder ist fuer den Anderen da, der Hilfe benoetigt. Dankbar nimmt die Regierung auch  jede Hilfe aus dem Ausland an, um somit den vielen, ueber 18.000 verschuetteten  Menschen, den vielen Verletzten und Obdachlosen, den Angehoerigen der unendlich vielen Opfer zu helfen. Es betrifft ein Gebiet, in dem die Menschen sehr einfache Lebensbedingungen gewohnt sind. Ihnen muss schnell geholfen werden und das weiss auch die Regierung, die zum Glueck sehr schnell unterwegs ist. Ich hoffe, dass den Menschen, die gerettet werden koennen, die Hilfe rechtzeitig erreichen kann. Es ist fuer mich auch als Auslaender gut zu wissen, in einem Staat zu arbeiten und vorruebergehend zu leben.....mitzuerleben, wie in einer solchen Notsituation das Moeglichste fuer die Notleidenden getan wird.

 

 

 

                                       23. Mai 2008

 

Nach dem Erdbeben – Gedanken um eine deutsch – chinesische  Partnerschaft

 

Elf Tage nach dem tragischen Ereignis in der chinesischen Provinz Sichuan habe ich heute meine deutschen Gaeste auf dem Flughafen in Guilin verabschiedet. Viele Gedanken haben wir zusammen in den 48 Stunden unserer Begegnung ausgetauscht. Ich arbeite seit 2 Jahren in einem chinesischen Reisebeuero in Guilin. Nicht immer habe ich die Zeit, um meine Gaeste selbst zu empfangen, denen ich Wochen zuvor bei ihrer Reiseplanung zur Seite stand.

Aber diesmal war es mir aus einem besonderen Grund wichtig, sie auf der Stip-Visite entlang der Reisterrassen von Longsheng und einem kurzen, aber schoenen Besuch in Chengyang, dem Land der Dong-Minoritaeten, zu begleiten. Mir war es deshalb wichtig, ihnen nach dem Erlebten in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, von vor elf Tagen…genau um 14:28 Uhr….und dem langsamen Bewusstwerden ueber das, was tatsaechlich passiert war, an ihrer Seite zu sein und ihre Emotionen aufzufangen.

Kaum, dass sie an diesem 12. Mai nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen in Chengdu ihre Koffer vom Laufband nahmen, wurde der Boden unter ihren Fuessen und die Halle des Flughafengebaeudes in entsetzliche Schwingungen versetzt. Sie erlebten mit, wie die Erde fuer drei Minuten bebte und auch das nachfolgende zweite Beben fuer eine anschliessende Katastrophe in diesem Land sorgte, was im ersten Moment nicht absehbar war und  die Menschen um das Flughafengelaende und sie selbst ”nur” in Angst und Schrecken versetzte. Staendig mit meinen Gaesten im Kontakt stehend, erfuhren wir Einzelheiten von Chengdu und kuemmerten uns im Buero sofort nach allen Kraeften, sie sicher aus dem gefaehrdeten Gebiet herauszubringen. Keine Stunde spaeter wusste ich aus dem Internet, dass es sich um ein Erdbeben mit katastrophalen Folgen handeln musste. Informationen aus dem Internet und Fernsehberichte gingen in den darauffolgenden Tagen waehrend und nach der Arbeitszeit nahtlos ineinander ueber.

Ich wurde Zeuge aus 1000 Kilometer Entfernung von einem der traurigsten Naturereignisse seit der Gruendung der Volksrepublik.

 

Widererwartend offen ging die chinesische Berichterstattung mit den nun folgenden Ereignissen um. Sie zeigten den aufopferungsvollen und teilweise gefaehrlichen Einsatz des riesigen Militaer- und Hilfspersonals, das trotz schwierigster Bedingungen sich zu den verschuetteten, teilweise unerreichbar scheinenden Ortschaften regelrecht durchschlug, um den betroffenen Menschen zu helfen. Rund um die Uhr wurde von dem grossartigen Rettungseinsatz aller Helfer und Verantwortlichen berichtet. Sogar zeigte man, wie sich der Ministerpraesident Wen Jiabao, der nur wenige Stunden spaeter nach Ausbruch der Katastrophe in Chengdu eintraf, sich gegen die anfaengliche Unbeweglichkeit von Beamten entschieden durchsetzte. Der Ministerpraesident ist Experte auf dem Gebiet der Geologie und bei der Katastrophenbekaempfung in den vergangenen Jahren und vollbrachte mit der Koordinierung von nahezu 150.000 Militaer- und Hilfskraeften und dem gewaltigen Einsatz von Technik eine wahre Meisterleistung bei vollstem Einsatz und im Rennen um die Zeit, um den vielen Tausend Verschuetteten und Schwerverletzten, sowie den Millionen Obdachlosen zur Hilfe zu eilen.

Eine sofortige hohe Anteilnahme aus dem ganzen Land ging wie ein Lauffeuer daher. Die Blutbanken waren bereits nach wenigen Tagen nicht mehr in der Lage, allen Spendenwuenschen nachzukommen. Geldspenden aus dem ganzen Land waren eine sofortige Selbstverstaendlichkeit. Die ganze Welt konnte miterleben, mit welcher Kraft die tiefe Trauer um die immer mehr werdenden Opfer von den chinesischen Menschen aufgefangen wurde. Das staatliche Fernsehen zeigte Bilder der Zerstoerung und Verwuestung, als waere dem ein Krieg vorausgegangen. Es war einfach nur erschuetternd. Als nach fast 180 Stunden des unermuedlichen Kampfes um jedes Menschenleben fuer die darauffolgenden 72 Stunden Staatstrauer bekannt gegeben worden war, ging durch die Traeuernden in ganz China eine Welle der kraftvollen Emotionen in Richtung der Millionen von Leidtragenden um Wenchuan und den anliegenden betroffenen Staedten.

 

Zu diesem offiziellen Staatstrauerakt, der am 19. Mai um 14:28 Uhr mit beeindruckenden drei Gedenkminuten im ganzen Land begann, trugen sich viele Staatsrepraesentanten in die Kondolenzbuecher der diplomatischen Vertretungen von China ein. Einige flogen sogar direkt nach Peking und drueckten somit ihre Anteilnahme auf besondere Art und Weise aus. Ein Staatsrepraesentant erschien sogar mit Ministerpraesident Wen Jiabao im betreffenden Erdbebengebiet, um sich selbst ein Bild vom Ausmass der Katastrophe zu machen.

 

 

 

Gemeinsam mit meinen deutschen Gaesten verfolgten wir die weiteren Berichte sehr genau. Und in Auswertung des bisher Gesehenem zu den tragischen Ereignissen mit den anschliessenden Staatstrauertagen stellten wir unabhaengig voneinander fest, dass bei der immer wieder eingeblendeten Aufzaehlung der auslaendischen Repraesentanten im chinesischen Fernsehen, die sich in die Kondolenzbuecher eintrugen, egal ob in den diplomatischen Vertretungen China's des jeweiligen Landes oder in Peking direkt, ... ein Land auf jeden Fall fehlte.

 

Gefesselt von dem Fuer und Wider zum Treffen mit dem nach Deutschland gereisten Dalai Lama vergass man “versehentlich”, aeusserst Wichtiges vor dem weniger Wichtigem zu erkennen, um vielleicht eine gebuehrende und glaubwuerdige Anteilnahme der Staatsfuehrung am Schicksal des chinesischen Volkes zu dokumentieren. Durchaus haette man ein weichenstellendes Zeichen setzen koennen, das ein Bollwerk fuer die deutsch-chinesischen Beziehungen bedeutet haette. Ich bin mir sicher, dass dieses Zeichen im Interesse der chinesischen Menschen gewesen waere und ihnen um Vieles mehr gegeben haette,… was mit 1.5 Millionen Euro nicht aufzuwiegen gewesen waere. Das, was als aufrichtige tiefe Anteilnahme die Chinesen schon als symbolische Deutung richtig und gerne von der deutschen Staatsfuehrung aufgenommen haetten, loeste sich fuer mich unverstaendlich und unverzeihlich dem chinesischen Volk gegenueber in eine gegenseitige Zerfleischung um dieses “Fuer & Wider” zu hundert Prozent auf. So, wie die wahren Zeichen des Dalai Lama vollkommen verkannt wurden, so war es einem Grossteil der Deutschen wichtiger, sich um die richtige Handschrift des Begriffs M.R. in China zu kuemmern, ohne zu erkennen, welche wichtigen Zeichen in diesem einen Moment unwiderruflich verpasst wurden.

Das “Fuer & Wider” haette sich in aller Windeseile aufloesen muessen in ein zur Seite stehendes Haendereichen dem chinesischen Volk und seiner Regierung gegenueber - im Moment des grossen Leid’s. Stattdessen ueberschattete der blinde Eifer weiter die deutschen Geschehnisse.

Nur einmal sah ich die Einblendung des Namens Deutschland im chinesischen Fernsehens, als im Untertext  die mehr als bescheidene Spende von 1.5 Millionen Euro zu lesen war, wenn man um den bisher sehr hohen Stellenwert Deutschlands gegenueber den anderen Staaten beim chinesischen Volk und der Regierung weiss.

Noch bescheidener…, dass bei der Aufzaehlung der Staatsrepraesentanten die deutschen nicht erwaehnt werden konnten..., vielleicht dann, wenn der Dalai Lama aus den traumatischen Koepfen der Deutschen wieder verschwunden ist, vielleicht gelingt es dann wenigstens mit der Roten Laterne.

Die Millionen Chinesen, die sich in den drei Tagen des gemeinsamen Trauerns trafen, um den Opfern zu gedenken, liessen den Menschen in der Provinz Sichuan wissen, dass sie ihnen helfen werden. Wohin die Kameras auf den vielen Plaetzen der Trauernden im ganzen Land Bilder von Kerzen haltenden Menschen einfingen, in ihren Gesichtern waren die Traenen ihrer Trauer zu sehen. Ihr symbolischer Beistand war in diesem Moment genauso wichtig fuer die Notleidenden, wie fuer alle Menschen in China…es war eine grosse Gemeinschaft, die spueren liess, dass in dieser Not keiner allein sein wird. Diese gemeinschaftliche Kraft war in diesem Moment von ausserordentlicher Bedeutung, kann sie mehr bedeuten, als alles gespendete Geld zusammen.

 

Herr Sandschneider, dessen persoenliche Ansichten ich zu vielen sensiblen Fragen ueber China in seinem Buch sehr schaetze, definierte es sehr treffend. Mit meinen Worten wiedergebend…”sehen wir China als unseren Partner, werden wir China als Partner an unserer Seite wissen. Sehen wir China als globalen Gegener, dann werden wir eine wunderbare Chance verpasst haben…”

Denn China weiss sehr wohl, wie es mit seinen Partnern umgeht….sie sind dann in Allem, was sie tun, auf gegenseitige Harmonie bedacht.

 

Es wird wahrhaftig Zeit, dass wir endlich die lang vergessenen Hausaufgaben machen….

 

Ich male mir aus, was gewesen waere, wenn ein deutscher Staatsrepraesentant in jenem traurigen Moment in Peking Herrn Wen Jiabao die Hand gereicht haette…..vielleicht haetten sich das die Chinesen sogar gewuenscht…

 

Es waere ein wunderbares Zeichen fuer die Zukunft….fuer die Zukunft der deutsch-chinesischen Partnerschaft. So wird uns wohl weiterhin nichts anderes uebrig bleiben, als von einer strategischen Beziehung zu sprechen, die ja bereits - etwas abweichend - als Standarddefinition im deutschen Sprachgebrauch und nun leider auch im Handeln zutrifft.

 

 

Vielen Dank fuer die kurze Aufmerksamkeit……

 

Ich wuensche mir mit meinen Zeilen keine Antworten, sondern nur ein Nachdenken in Ruhe…..

 

 Frank Berger