Andere Gedanken…

 

Lange habe ich ueberlegt, inwieweit ich mich an dieses Thema heranwage. Mein Anliegen mit meiner Homepage habe ich bereits geaeussert. Seit Juli 2006 arbeite ich hier in China, in der Provinz Guangxi – in Guilin. Das Leben geht nicht so einfach an mir vorbei, als dass ich auf Wichtiges aus dem „Ausland“ nicht reagieren braeuchte. Taeglich beruehre ich das Leben der chinesischen Menschen. Ich bin nicht nur 8 bis 10 Stunden auf Arbeit, ich nutze fast jede Gelegenheit, um mich unter sie zu mischen. Auch wenn ich mit meinen chinesischen Sprachkenntnissen der Kommunikation Tribut zollen muss, ist man dann erst recht wachsamer mit seinen anderen Sinneswahrnehmungen. Das Sprechen ueber Themen, die den politischen Standpunkt des chinesischen Menschen beruehren, das ist etwas, was man wirklich aus Hoeflichkeit vermeiden sollte. Ihre Umwelt wahrnehmen halte ich fuer die kluegere & und vernuenftigere Variante. Mit dem Beobachten des Alltaeglichen findet man jederzeit Antworten auf Fragen, die nicht unbedingt gestellt werden muessen.

 

Ich habe ueber 30 Jahre in der DDR gelebt und mit den letzten fast 20 Jahren zwei interessante Definitionen erfahren, die sich auf ein und dasselbe staendig brisante Thema bezogen haben. Ich habe Schranken und Grenzen kennengelernt, die mich des Oefteren darueber nachdenken liessen, was im Leben eines Menschen zaehlt. Fuer mich gab es zu beiden Seiten kein Ausloten der Grenzen. Ich habe meine Kultur aus dem einen System mitgebracht und sie nach wie vor weiter pflegen koennen. Sicherlich waren die Spielraeume unterschiedlich, aber es gab fuer mich zu jeder Zeit immer genug Fassbares, um nicht an solchen Aeusserlichkeiten zu  scheitern.

 

Was ich damit sagen moechte, dass man in den Definitionen von Begriffen auch immer ihr Toleranzpotential suchen sollte, bieten doch genau diese auch Verstaendlichkeiten an, um nicht nur dogmatisch vor einem unloesbaren Problem zu stehen.

Es ist immer schwierig, ein Wort aus einem Satz herauszuloesen, um dann noch dessen Inhalt verstehen zu wollen. Aber gerade dann sind manchmal mehrere erklaerende Saetze notwendig, um den Begriff auch tatsaechlich allumfassend zu beschreiben. Und dann genau merkt man erst, dass da noch viel mehr zugehoert, als nur das mutig märtyrerisch herausgezogene Wort, um es nach oben zu halten und von aussen Anerkennung zu finden.

 

Wenn man nicht gleich mit dem guten weisen chinesischen Satz…

 

„Solange du dem Anderen sein Andersein nicht verzeihen kannst,

bist du noch weit ab vom Wege zur Weisheit“    

 

…etwas anfangen kann, dann soll doch soviel Fingerspitzengefuehl vorhanden sein, das Anderssein eines Menschen oder gar einer Nation zu hinterfragen.

Und wenn sich nicht gleich eine passende Antwort finden laesst, weil hierfuer viel mehr Zeit und Kraft und damit Kenntnisse notwendig sind, dann sollte man sich die Zeit nehmen, um die Kenntnisse zu erlangen. Wenn festgestellt wird, dass Andere anders sind, warum begibt man sich nicht auf sein Spielfeld, um mehr ueber seine Spielregeln zu erfahren.

 

Seit ich weiss, dass Begriffe von grosser Bedeutung ebenso grosse Definitionsunterschiede aufweisen koennen, seitdem bin ich viel intensiver dabei, nach dem Fundament zu suchen, um der Wahrheit so nahe wie moeglich zu kommen.

Ich habe in meinen einleitenden Worten gleichfalls geaeussert, dass die Betrachtung von wichtigen Problemen auch ein aktuelles Thema fuer mich darstellt. Aber gleichzeitig sehe ich es nicht nur als ein solches an, sondern ich moechte es lieber mit dem Wort Herausforderung definieren. Das ist wichtig, auch wenn es auf dem Papier ein Spiel mit 2 Wortern ist, kommt es in der Realitaet der chinesischen Denkweise sehr nah, ist doch eine Herausforderung bereits mit Tun, mit geistigem Tun verbunden. Waehrend wir uns dreimal um die eigene Achse drehen, um dann endlich den Pragmatismus mit ins Spiel zu bringen, hat der Chinese bereits einen Loesungsansatz gefunden.

Auch vergessen wir leider gewisse Ist-Zustaende zu messen an zeitlichen Abfolgen, sprich Entwicklung. Sicherlich interessiert es den chinesischen Menschen auch nicht so brennend, mit dem Gestern etwas anfangen zu muessen, haben sie aber ja auch kein solches Definitionsproblem, so wie wir es mit dem chinesischen haben.

Aber uns wuerde ein Gestern vielleicht mehr helfen beim Auffinden von Verhaltensmustern einem anderen Kulturvolk gegenueber, wuerden wir vielleicht viel bescheidener mit Begriffen und auch mit Vorwuerfen umgehen, saehen wir vielleicht dessen Entwicklung zu den einzelnen Brennpunkten, saehen wir vielleicht Veraenderungen, die den chinesischen Staat viel zeitiger ein Niveau erreichen lassen, wofuer Europa in seiner Demokratiebewegung ein gutes Jahrhundert benoetigt hat.

 

Um vielleicht mit einem schmunzelnden Beispiel als Sportler abzuschliessen:

 

„Einem Weitspringer ist es bis heute noch nicht gelungen, aus dem Stand  

 seine 8 Meter zu erreichen. Dazu benoetigt er immer noch seinen Anlauf,  

 seinen ganz  individuellen !...das gilt uebrigens fuer jeden Weitspringer!“