Von Chengyang nach Zhaoxing am 18. Juni 2008


Zeitig um 8:35 Uhr ging es ab in Richtung Zhaoxing. Eine neue Route sollte getestet werden. Die endlos waehrende ueber die alte Busroute wollten wir austauschen mit einer interessanteren, wenn nicht gar lukrativen Tour ueber die bis zu 1300 Meter hohen Berge Suedost-Guizhou’s.

Der langanhaltende Regen der letzten Tage, der zu enormen Ueberschwemmungen in Suedchina gefuehrt hatte, liess uns von vornherein keine andere Wahl. Nur die grossen Busse hatten entlang des Xin-Jiang Flusses keine allzugrossen Probleme mit dem Vorwaertskommen. Unser erster groesserer Halt war ungewollt in Mengzhai, exakt nach  zwei Fahrstunden. Zufaellig kamen wir an diesem kleinen Ort vorbei mit seiner interessanten Brueckenarchitektur und der Aufgliederung der kleinen Stadt in den uebersichtlichen Alt- und Neustadtteil. Von der Anfahrt her hatte man einen schoenen Blick auf alles Aeltere von Mengzhai. Es ist zudem ein guter Zeitpunkt, nach gefahrenen 50 Kilometer die Beine etwas zu verteten. Es ist ein sehr abgelegener Ort, das erkennt man sofort mit den ganz neugierigen und vorsichtigen Blicken der Einheimischen, die teils sehr respektvoll mich Fremden betrachteten.

 

Knapp 40 Minuten spaeter waren wir in Dudong, der letzten groesseren Stadt im Provinzgebiet von Guangxi. Ab hier begann sich die schwierige Strasse durch die Berge zu arbeiten. Zwei Paesse galt es, zu ueberwinden. Jedesmal erreichte uns zum Lohn eine wunderschoene Landschaftskullisse mit weitgestreckten und langgezogenen Taelern, die ueberall mit Reis- und Teeterrassenfeldern durchzogen waren. Mit den Bambuswaeldern im Hintergrund und den anderen Gruentoenen des anders bewaldeten Gebietes bot sich ein wechselvolles Farbenspiel von Hell und Dunkel. Alle paar hundert Meter haette man am Liebsten Halt machen koennen, um immer wieder seine Kamera nicht grundlos zu zuecken. Schon mit der ersten grossen Anfahrt auf den Gipfel wussten wir um die Schoenheit , die uns noch weiter begleiten wird. Aber die Strecke ist schwierig und kann eigentlich nur zur regenfreien Zeit vorgenommen werden. Ein grosser Teil geht ueber Waldwege, unbefestigte Strassen, rutschigen Untergrund, der die Berganfahrten erschwert. Nach dem Passieren der vielen kleinen Ortschaften, wie Tang Shui, Ya Song Cun, Ya Kua Cun, Si Jia, Lei Dong erreichten wir mit Shuikou nach weiteren 35 Kilometer (von Dudong ) wieder die erste groessere Stadt. Von hier aus sind es nur noch 25 Kilometer Fahrt bis Zhaoxing, die aber gut und gerne um eine Mittagspause in dieser Stadt verlaengert werden koennen. Denn fuer den letzten Abschnitt benoetigt man noch einmal ca. eine gute Stunde. Nach abwechslungsreichen, interessanten 5 einhalb Stunden Fahrzeit wird man auf Hoehe Tang’ans das Dorf  Zhaoxing unten im Tal von Weitem schon ersehen koennen. Ein weiterer phantastische Blick eroeffnet sich einem mit den gruenen endlosen Terrassenfeldern im Vordergrund, die 6 Kilometer lang sich bis in das Dorf hinunterziehen. Eine kurze Serpentinenfahrt bringt uns in 10 Minuten in die Dong-„Hauptstadt“. Hier in Zhaoxing wird mir bewusst, dass uns eine Ewigkeit die wunderschoene Landschaft begleitet hat mit ihren Laub- und Bambuswaeldern, romantischen Doerfern, Fluessen, Reis- und Teeterrassen, ergaenzt durch grossartige Bauten von alten und ganz alten Wind- und Regenbruecken, die urploetzlich wie Farbtupfer im Bild auftauchten. Die Fahrt war anstrengend, der Weg sehr serpentinenartig und teilweise sehr unbequem. Trotzdem hatte ich ein angenehmes, gespanntes und freudiges Gefuehl beim Klettern ueber die Berge mit den anschliessend immer wieder lohnenden Aussichten.

 

Tang’an hat leider seinen urspruenglichen Reiz letzten Sommer verloren, als ca. 70 Prozent dem Feuer zum Opfer fielen. Ueberall wird nun wieder aufgebaut...sehr viele neue Bauten verdraengen mein altes Erinnerungsfoto aus dem Gedaechtnis von Tang’an....schade. Die Provinzregierung hatte sich viel Muehe mit dem Eco-Museum gegeben und wollte so die Urspruenglichkeit eines alten Dong-Berg-Dorfes gerade in der Naehe von Zhaoxing aufrechterhalten.

 

Ich bin nun mittelerweile bereits das dritte Mal in Zhaoxing und muss sagen, dass dieses 4000-Seelendorf mich immer wieder fasziniert. Nicht nur die idyllische Lage macht Zhaoxing so interessant, sondern auch seine Dorfcharakteristik. Auf der einen Seite spielt sich das Leben auf der Strasse wieder. Entlang der langen Dorfstrasse findet man auf der einen Seite die unendlich vielen kleinen Geschaefte und Restaurants, vor denen sich sehr gemuetlich und sehr familiaer zugehend zum Abend hin das gemeinsame Zusammensein beim Essen, Kartenspielen, Erzaehlen beginnt.

Tagsueber ist eine durchgehende Betriebsamkeit des durchziehenden Strassenverkehrs mit den vielen ankommenden Touristen, den Haendlern, lebendiges Treiben an den zwei kleinen Maerkten zu sehen. Die winterliche Bauphase ist beendet, man konzentriert sich ganz auf die bevorstehende Ernte und den in den naechsten Wochen zu erwartenden Besucherstrom der in- und auslaendischen Gaeste. Die Dorfstrasse, egal wie stark sie frequentiert ist, versprueht durchweg eine angenehme Atmosphaehre. Die meisten der Dongbewohner haben ein bis zwei, manche drei Kinder. Das Leben auf der Strasse wird ueberwiegend durch die kleinen bestimmt, die den sanften Rythmus vorgeben. Oft sieht man von Trommelturm zu Trommelturm ziehende Kinder, die nach den Feierlichkeiten fuer die Restbeseitigung der nicht entzuendeten Feuerwerks- und Knallkoerper sich stark interessiert zeigen. Kinder kommen aus der Schule, saeumen rechts und links den Weg entlang des Dorfes. Viele von ihnen haben einen zwei bis drei Kilometer langen Heimweg ueber die nahe liegenden Berge. Den Frauen kann man teilweise bei ihrer Taetigkeit des Faerbens des Stoffes fuer ihre traditionelle Festkleidung zuschauen oder sie sind gerade dabei, den letzten „Glanz“ diesen Stoffen zu geben. Kunstvoll haben die Frauen ihr Haar mit einem Kamm nach oben , schraeg zur Seite zusammengeknotet. Waehrend die Frauen Hausarbeiten verrichten, sitzen die aelteren Maenner nach ihrer getanen Arbeit fuer ein Gespraech am Trommelturm oder auf der Wind- und Regenbruecke und tauschen sich aus.

Gelegentlich sieht man am Trommelturm eine von den grossen Lusheng-Floeten stehen, gespielt wird sie jedoch durch die Alten nur zu den Feiertagen.

Inzwischen hat auch die alte Theaterbuehne ausgedient. In den letzten 2 Monaten hatte man den Umbau eines groesseren aelteren Hauses im traditionellen Stil genutzt, um somit etwas fuer den Fremdenverkehr zu tun. Ein nicht auffaelliger Supermarkt entstand und im 2. Geschoss dieses Gebauedes eine schoene mit viel kunstvollem Holz verzierte neue Theaterbuehne. Immer zu Feierlichkeiten sitzt das ganze Dorf auf der Strasse vor diesem Theater im riesengrossen Halbkreis und hoert den wunderschoenen und eigenartigen Gesaengen der Dong zu.

 

Ein anderes Leben spielt sich parallel zur Strasse, in der anderen Dorfhaelfte ab. Romantisch durchzieht der kleine Fluss Xun He das Dorf, bis sich am Ende Fluesschen und Strasse kreuzen. Kleine interessante Wind- und Regenbruecken ueberspannen vereinzelt den Fluss. Entsprechend der Anzahl der Trommeltuerme in Zhaoxing gibt es ebenfalls 5 solcher Bruecken. Die Trommeltuerme dokumentieren die Anzahl der Clans eines Dorfes. So gibt es in Zhaoxing die Clans der XIN-, Zhi-, Yi-, Li- und Ren-Familie.

Hier im Fluss wird Waesche gewaschen, das Essen vorbereitet, ausreichendes fuer die Koerperpflege getan, ebenso ist es ein gern gesehener Spielplatz fuer die Kinder, da das Wasser an den meisten Stellen nicht sehr tief ist. Auch dieser Abschnitt des Dorfes versprueht eine angenehme Lebendigkeit. Schmale mit kleinen Steinen verzierte Wege fuehren direkt am Fluss entlang. Manchmal nur einen halben Meter breit ist der Weg zwischen Haus und Wasser. Eine eigentuemliche Romantik, wenn die Haeuser dicht an dicht  sich ganz nah am Fluss entlang schlaengeln und in tiefer Abendsonne stehen.

 

Unabhaengig von meinem Interesse an guten Unterkuenften schaute ich mich nach Neuem in der naeheren Umgebung um.

Jilun ist ein altes Dorf, das gerade mal 1.5 Kilometer von Zhaoxing entfernt liegt. Der Weg fuehrt leicht den Berg hinauf, zu dieser Jahreszeit vorbei an vielen schoen gelegenen Terrassenfeldern mit ihrem tiefen saftigen Gruen. Jilun scheint die neue Zeit vorbeigereicht zu haben. Nichts laesst gross daraufhin deuten, dass die Bewohner unbedingt an Modernem interessiert sind. Das, was in ihrer Gegend der Tourismus in den letzten Jahren mitgebracht hat, lassen sie vielleicht lieber in 1.5 Kilometer unten im Tal liegen. Hier oben dreht sich die Uhr noch anders, was fuer die Bewohner von Jilun mehr Identitaet verspricht. Der Tourismus hat zwei interessante Seiten mitsich gebracht.. Auf der Einen bringt er mit dem Internet die Naehe zu den naechsten grossen Staedten und zur grossen weiten Welt. Die Jugend formt sich mit diesen Informationen einen eigenen Weg, zwischen Ihrer Tradition und dem staedtischen Neuleben. Anfaenglich war zu erkennen, dass ueberwiegend die Alten die Tradition der Dong-Kultur pflegen. Nun ist aber mit den letzten Jahren ein interessanter Trend zu beobachten, dass die Jugend mit dem aufkommenden Tourismus auch ihre Chance in ihrer eigenen Tradition und Kultur erkennt, damit ihre eigene Existenz sichern und verbessern kann und somit die Einstellungen Vieler sich wieder dem Altgewohnten zugewandt hat, ohne sich neuen Elementen zu verschliessen. Die Zeit des Erkennens und das Zusammenleben von Alt und Jung in einer Familie ist die Basis fuer solche fruchtbaren Erkenntnisse, die dann auch sehr schnell lebendig werden.

Als wir uns dem ersten Haus in Jilun naeherten, erspaehten uns durch das Fenster zwei alte Damen. Das Fenster schloss sich wieder und die Tuer ging auf. Heraus kamen sie mit ihren Handarbeiten und boten sie uns ohne Umschweife freundlichst an. Erstaunlich, mit welchen Faehigkeiten sich diese beiden alten Frauen von uns nicht abweisen liessen und mit lustigem und freundlichem Draengeln letztendlich doch unser Herz erweichten. Im Nachhinein ist das gezahlte Geld fuer diese Stickarbeit nicht nennenswert, wenn man sich vorstellen kann, dass sie vielleicht einige Tage an solch einer Arbeit sitzen. Anderseits ist es fuer sie wichtig, den Lebensstandard fuer die ganze Familie aufzubessern. Sie tun einfach ihren Teil, den sie dazu beitragen koennen. Auch wenn man vielleicht doppelt kauft, es ist fuer uns als Tourist ein kleine Spende in die richtig Richtung, wenn man dabei auf die Preiskultur achtet und auch das Handeln nicht vergisst trotz dieser geringen Preise. Es ist gegenseitiges „Erziehen“ fuer einen fairen Tausch und fuer die Spielregeln im grossen Geschaeft des Tourismus. Und besser kann man den Menschen direkt nicht helfen. Es ist Geld, dass sie zum Leben, zum Besserleben, fuer Haustiere, fuer einen Umbau am Haus oder vielleicht irgendwann fuer einen Neubau benoetigen. Eine lebendigere, schoenere und begegnungsintensivere Spende kann man sich selbst nicht organisieren, die bei der Freundlichkeit und Einfachheit der Menschen auch noch lange in Erinnerung bleiben wird.