Eine fluechtige Begegnung mit tiefen Worten

Unser heutiges Ziel ist es, ein weiteres der vielen Doerfer um das 1000-jaehrige Daxu (19 km suedoestlich von Guilin) aufzusuchen. Bis zum Dorf Chao Tian - ueber Daxu - bringt uns der Bus in knapp 60 Minuten vom Nordplatz in Guilin. Mit dem Dorf Zhu Long Cun wollen  wir ein sehr abgelegenes Dorf besuchen , was die Verkehrsanbindung angeht. Bis nach Zhu Long Cun direkt faehrt kein Bus. Von Chao Tian sind es 5,5 Kilometer, die am Besten mit einem Dreirad-Taxi oder einem Motorrad absolviert werden. Fuer eine Tour bringt ein Motorbike problemlos zwei Personen fuer 15,- Yuan bis zu diesem 500 Jahre alten Dorf. Wir haben ohne grosse Probleme unseren Fahrer dazu bewegen koennen, auf uns zu warten, um uns fuer 20 Yuan auch wieder nach "Hause" zu bringen. 90 Minuten Besichtigungszeit waren selbst fuer ihn etwas angenehmes, faehrt er doch nicht oft auslaendische Gaeste durch die Ortschaften.

Sehr freundlich und besonnen begegneten uns die Bewohner. Einige waren in ihren Haeusern mit dem Mittagessen beschgaeftigt, andere noch auf den anliegenden Feldern, um es fuer die bevorstehende Reissaat vorzubereiten. Mit ihren Rindern im Gespann pfluegten sie den waessrigen Boden, der ueber die gesamte Winterzeit Ruhe hatte. Die Frauen versammelten sich zu entspannten Gespraechen vor dem Haus und plauschten miteinander, andere waren mit dem Waeschewaschen  direkt am Fluss beschaeftigt auf den extra dafuer ausgelegten grossen Steinplatten. Auch hier nutzt man die Zeit des Tuns fuer herzhafte Gespraeche.

Die Aufmerksamkeit auf uns wurde so richtig lebendig, als wir nicht nur einfach durch das Dorf gingen, sondern auch fast vor jeder offenen Tuer neugierig stehenblieben, uns nach einem Wohnungsinhaber umschauten und durch ihn selbst oder einem Nachbarn auf unser Fragen den freundlich auffordernden Einlass erhielten. Meine chinesischen Dankesworte fuer diese kurze Einsicht brachten jedesmal die Dorfbewohner zum Laecheln, war doch schon das Auftauchen eines Auslaenders etwas Einmaliges und dann noch mit leicht chinesischem Akzent sein schmaler Sprachgebrauch. Jetzt liessen auch die Frauen ihr Waeschewaschen sein, bekamen sie uns ebenfalls mit und stellten in hoeflicher Naehe ihr Spalier mit ihren Kindern dar. Das Dorf strahlte eine eigenartige angenehme Ruhe auf mich aus. Wo wir hinkamen, wo wir auch nur mal kurz reinschauten, wo uns mit schwerer Arbeit entgegenkam, immer eine herzliche freundliche Begegnung, nette Worte, Gesten, die uns unkompliziert zum gemeinsamen Essen aufforderten. Hier spuerte ich, dass das Dorf mit seiner inneren Harmonie stimmig war. Ich kann es nicht genau begruenden, ich hab es einfach nur gespuert. Mit diesen sehr schoenen vielen kleinen Begegnungen beim Fragen, ob wir mal neugierig sein duerfen...und auch immer ein selbstverstaendliches Bejahen zur Antwort hatten...sahen wir eine sehr schoene alte, schlicht und einfach gehaltene Bausubstanz im Innenhofbereich. Es erinnerte mich sofort an das Dorf Xiong Cun, nur um einiges eben einfacher. Hier lebten vor Generationen Menschen mit geringen Einkuenften aus der Landwirtschaft. Man sah es ueberwiegend am einfachen, aber geschmackvollen Tuer- und Fensterschmuck der einzelnen Wohnhoefe. Wie schon so oft, kam es mir auch hier in Zhu Long Cun in den Sinn beim Betrachten dieser kleinen Kostbarkeiten - das Wohnen hier, das muessten andere Menschen auch mal zu Gesicht bekommen, um vielleicht das eine oder andere Bild zurechtzuruecken....und immer wieder diese Lebensfreude der Menschen und die Kraft, die man dahinter vermuten darf. Wenn ein 65 jaehriger Mann mit zwei 20-Literbehaeltern voll Zement mit freundlichen Worten auf den Lippen an mir vorbeilaeuft, dann bleibt mir nichts anderes uebrig, als nicht zu vergessen, ihm ebenfalls freundlich zu antworten, den Mund wieder zu schliessen und nachdenklich hinterherzuschauen...Obwohl Zhu Long Cun ein sehr einfaches Dorf ist, wird auch hier an vielen Stellen des Ortes neu gebaut. Der Staat hat es geschafft, dass selbst die Bauern mit einfachstem Einkommen die Moeglichkeit haben, mit etwas Sparwillen das eine oder andere an ihren Haeusern verbessern zu koennen. Mit unserem Neugierigsein zogen auch die Dorfbewohner mit uns mit. Sie waren erstaunt, dass uns soviel an ihrem Dorfleben lag. Ohne grosse Worte schloss uns einer der vielen Anwesenden das Tor zum Kultursaal auf. In diesem 500 Jahre alten Bau, der immer wieder mal renoviert wurde, fanden bis vor 25 Jahren immer noch regelmaessige Auffuehrungen statt. Heute ist es ein kultureller Treffpunkt fuer Dorfhochzeiten, Geburtstage oder fuer andere besondere Anlaesse. Mit der Geduld der Menschen merkten wir nicht die 90 Minuten, die wir mittlerweile in diesem Dorf zubrachten und kaum ein Ende finden konnten, zeigte doch ein Hof nach dem anderen sein interessantes historisches Gesicht. Aber wir wollten unseren Motobiker nicht vergessen und suchten uns langsam den Dorfausgang. Unter vielen Hallos und Haendewinken gingen wir den schmalen Weg am Fluesschen zurueck zum Ausgangspunkt. Einem aelteren, vielleicht 75-jaehrigen Mann begegneten wir, der hockend an seinem Reisighaufen zu tun hatte. Er sah uns, hielt inne...forderte mit freundlicher Geste auf, hier einen Moment zu verweilen. Er meinte, wir koennen gerne  eins zwei Tage bei ihm wohnen und sich das Leben hier anschauen. Hoeflich entgegneten wir ihm, dass wir leider nur sehr wenig Zeit haetten. Nun richtete er sich auf und kam mit ruhigen Schritten auf mich zu. Sein Augen sagten mir, dass er mir unbedingt etwas mitteilen wollte. Er sah mir tief in die Augen, war sichtlich aufgeregt und seine anschliessenden klaren Worte beruehrten mich zutiefst. Er sagte freundlich ein weiteres Mal, dass wir hier gerne bei ihm ein paar Tage wohnen koennen. Er wolle zeigen, dass die chinesischen Menschen sehr freundlich gegenueber den Auslaendern sind, egal aus welchem Land sie kommen. Und wenn man sich erst einmal begegnet ist, dann ist man auch ein Freund. Und wir haben uns begegnet und somit bist Du mir ein Freund und oeffnet seine Haende in meine Richtung. Ich antwortete ihm auf seine Frage nach meiner Herkunft. Weiter sehr konzentriert, mit herzlichem Gesichtsausdruck entgegenete er, dass er gerne einmal nach Deutschland reisen wuerde. Und wenn er die Chance haben sollte, nach Deutschland zu fliegen, dann wuerde er mich gerne als seinen Freund besuchen wollen.

Es waren kluge Augen, die zu mir sprachen, er war ein Mensch, der im Leben Bescheid wusste ...und er war ein Mensch, der zum ersten Mal einen Auslaender getroffen hat. Seine Hymne hat mich sehr beruehrt. Dass seine Worte nicht nur der Hoeflichkeit fielen sah ich seinen strahlenden Augen an, sie kamen aus tiefem Herzen. Bevor wir auf das Motorrad stiegen, musste ich mich noch einmal zu diesem Mann umdrehen. Er schaute ebenfalls noch in meine Richtung. Ich winkte ihm zu, er antwortete nicht nur einfach auf dieselbe Art, sondern stand dazu auf und winkte mir nun erfreut zurueck. Auf der Rueckfahrt nach Chao Tian gingen mir immer wieder seine Worte durch den Kopf...

 

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