Das versteckte Fischerdorf im Zentrum Guilins       

 

Wenn ich beschreiben moechte, wo sich in Guilin etwas befindet..., dann nehme ich gerne als Ausgangspunkt die Fussgaengerzone fuer die Touristen im Zentrum Guilin’s. Sie ist fuer alle hiergewesenen ein Begriff zur Orientierung fuer oben und unten. Oben ist die Richtung zum Li-Ffluss. Um genau die geht es in meiner naechsten Geschichte. Wieder verlassen wir die „3 Meilen-Zone“ und bewegen uns auf die andere Uferseite. Ein leichter Schwenk des Blickes beim Ueberqueren der Bruecke nach rechts zeigt uns ein riesiges Plakat, hinter dem sich mit den Jahren das kleine Fischerdorf von Guilin versteckt  hat. Direkt auf das Plakat zulaufend geht man foermlich durch dieses hindurch und wechselt von einem Moment zum anderen das eben Moderne mit der alten Geschichte Guilins. Dieses kleine Fischerdorf liegt am Seitenarm des Li-Jiang und stammt aus den Jahren um 1940 bis 1950. Wir sind in diesem Moment vielleicht 900 gelaufene Meter von der Fussgaengerzone entfernt und tauchen ein in ein Dorfleben, das selten Touristen sieht. Regelmaessig ging ich diesen Weg durch das Dorf, um von hier zu meiner Trainingsstrecke zu gelangen. Ich versuchte meine Laufeinheiten so zu legen, dass ich jeweils zu den chinesischen Essenszeiten hier vor Ort sein konnte. Besonders in den Abendstunden war es interessant, nach einem freundlichen „ni hao“ beim Vorbeilaufen fuer einen kurzen Moment das erleuchtete Innenleben der Wohnungen zu sehen. Die Chinesen essen sehr puenktlich - mittlerweile auch ich – und man kann darauf warten, dass ueberall um 19.00 Uhr im oder vor dem Haus gebrutzelt wird. Einen freundlichen kurzen Kontakt gibt es immer.

Nachdem sie mich mit den Wochen zuordnen konnten, tauschte ich fuer einen Tag die Turnschuhe gegen meine immer noch alte und zuverlaessige Canon. Wenige Stunden spaeter nach einigen freundlich „genehmigten“ Fotos ueberreichte ich ihnen diese in lamminierter Form. Dass ich dafuer kein Geld nehmen wollte, musste ich Ihnen erst  beibringen. Das hat sie sehr ueberrascht. Sie hatten nicht erwartet, dass sie etwas Schoenes, eben dieses Foto  fuer umsonst erhielten. Seit diesem Tag habe ich das freundliche Laecheln der Erwachsenen schon von Weitem auf meiner Seite. Die chinesischen Menschen kennen es nicht, dass man fuer ein Geschenk keine Gegenleistung erbringen muss. Das war ihnen neu und etwas Besonderes.

Die Wohnungen sind sehr wetterfreundlich gebaut worden. Vom Eingang kann man geradewegs durch die gesamten Raeumlichkeiten schauen und erkennt auf der anderen Seite den Seitenarm des Li Jiang. Im Winter halten sie gut die Waerme, wenn die niedrigen Raeume beheizt werden, waehrend in den heissen Sommermonaten eine ebenso gute Belueftung gegeben ist, so dass die Raeume nicht ueberhitzt sind. Jedes kleine Haus hat auch seinen kleinen eigenen Garten. Entweder wird er fuer den eigenen Bedarf genutzt oder das Gemuese laesst sich auf dem naheliegenden Markt  gut verkaufen.

Das Leben im Dorf ist sehr einfach, normal, nicht ungewoehnlich. Ungewoehnlich ist es nur fuer uns. Wir Auslaender wuerden vielleicht wieder viel zu schnell die Lebensweise mit arm vergleichen, liegt doch zwischen der Konsumstrecke und dem wahren Leben nur knapp eine Zigarettenlaenge. Erst beim zweiten Blick erkennt man, dass neben ihrer einfachsten auch eine sparsame Lebensweise dahintersteckt. Je nachdem, womit die eine oder andere Familie ihr Geld verdient, sieht man den einen der Dorfbewohner gerade mit seinem guten Motorrad nach Hause kommen. Vor der Haustuer einer anderen Familie steht das Dreirad-Taxi. Wieder andere haben sich im Laufe der letzten Jahre ein Floss kaufen koennen, oder ein altes gegen ein besseres eingetauscht, um so die vielen Touristen in der Hochsaison mit einer romantischen Fahrt auf dem Li-Fluss zu verwoehnen. Einige von ihnen konnten dazu ihre Muskelkraft gegen einen kleinen Tuemmler tauschen und koennen so denTouristen zusaetzlich weitere, laengere Fahrten anbieten. Wieder andere kommen zu Fuss nach Hause gelaufen, weil sie ganz in der Naehe ihr VW-Taxi abgestellt haben, dass sie bar oder auf Kredit kaufen konnten. Jeder der Dorfbewohner sieht zu, wie er mit guter Leistung, eisernem Willen und sparsamen Umgang seines Verdienstes sich seinen neuen Lebensstandard sichern kann.

Was dieses Dorf eigentlich erst richtig interessant macht, sind seine im Flussarm liegenden Hausboote, die man hier wunderbar aus naechster Naehe besichtigen kann. Ganzjaehrig liegen sie hier seit rund 20 Jahren, seit dem der Transport vieler lebensnotwendiger Gueter auf die Strasse verlegt wurde. Bis 1980 waren die Boat-People im Dienste des Staates unterwegs und brachten Waren von Guilin bis fast zur Suedkueste Chinas nach Guangzhou. Einen langen Monat waren sie unterwegs, um stromabwaerts Ihre Waren umzuschlagen. Das Hausboot wurde den Menschen vom Staat zur Verfuegung gestellt. Die Menschen lebten mit ihrer Familie auf diesem Boot, waehrend sie die Gueter von einer Stadt zur anderen brachten. Viele von den Boat-People haben sich Anfang der 80-iger Jahren mit  eigenen Booten selbststaendig gemacht, um am grossen Wirtschafts-Boom partizipieren zu koennen.

Seit nun die Infrastruktur der Provinz Guangxi erheblich verbessert und gerade das Strassennetzt in den letzten zwanzig Jahren ausgebaut wurde, ruht dieser Transport auf dem Wasserwege seit Beginn der 90 –iger Jahre gaenzlich. Jetzt liegen die Boote, sauber gepflegt in den Seitenarmen des Li-Flusses und haben mietfreie Daseinsberechtigung. Sie stellen nachwievor die Wohnstaette fuer diese Menschen dar, die seit ihrer fruehsten Kindheit dieses Leben gewoehnt sind. Wer sich noch keine Wohnung in der Stadt leisten kann, wer sparen moechte, oder wer seinen Arbeitsweg nicht unnoetig verlaengern  moechte, der wohnt weiter in diesen geraeumigen Hausbooten. Entlang des Seitenarmes fuehrt ein kleiner schmaler Weg dicht an den Hausbooten vorbei. Es lohnt sich, hier einen Augenblick zu verweilen.

 

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