Der Ling-Kanal von Xing'an

Ein erster Besuch in Xing’an 2006 im  Sommer, ein beeindruckender Ausflug nach Bajiaozhai im Februar 2007 und nocheinmal zwischendurch ein kurzer Besuch des Ling-Kanals liess mich nach langer Pause nun in der Zeit der Olympischen Spiele diese interessanten Gegenden erneut aufsuchen. Der Zeitpunkt war gut gewaehlt, der Sommer versprach viel Gruenes und schoenes Wetter. Zudem hatte ich Gelegenheit, mit dem „Anfassen“ der Ming-Dynastie seit gut einem halben Jahr die Bedeutung dieser Zeit fuer Guilin richtig einschaetzen zu koennen, um dann auch meinem diesmaligen dritten Besuch von Xing’an den historischen Wert besser beizumessen. Die Ming-Koenige von Guilin haben es mir angetan und hatten es geschichtlich in sich.

Xing’an spielte nicht erst seit dem chinesischen Mittelalter eine bedeutende Rolle, sondern bereits 1500 Jahre frueher, als es dem 1. Chinesischen Kaiser gelang, sein Reich zu einen. Wichtig fuer die Herrschaft Qin Shi Huang war die Schiffbarkeit der Wasserwege nicht nur von Ost nach West, sondern auch von Nord nach Sued, um somit mit dem schnellen Transport seines Militaers auch eine ebenso zuegige Versorgung zu garantieren.


Der Wasserweg war ueber 1500 Jahre lang die wichtigste „Strassenverbindung“. Dies gelang dem Kaiser 206 v. Chr., indem er mehrere Bauvorhaben von Wasserregulierungsprojekten und Kanaelen umsetzte und mit Hilfe dieser den Wasserweg zu jeder Jahreszeit schiffbar hielt. Ein ausgekluegeltes System konnte den Wasserstand je nach jahreszeitlich bedingter Wasserfuehrung der grossen Fluesse fuer die Kanaele schiffbar machen, so dass die Truppen des Kaisers jederzeit auf schnellstem Wege strategisch wichtige Regionen des Landes erreichen konnten, egal ob im Sueden, Norden, Westen oder Osten. Nachdem der 1. Kaiser den Norden bereits vereint hatte, war es nun wichtig, die suedlichen Reiche mit schnellen militaerischen Einsaetzen ebenfalls unter seine Machtbefugnis  zu stellen.


Zur Zeit der Han-Dynastie kam die Region um Xing’an ueberwiegend mitlitaerische Bedeutung bei. Der Handel spielte erst 1000 Jahre spaeter ein bedeutendere Rolle. Hier begannen vor allem in der Song-Dynastie die Kaufleute, sich in Xing’an aufgrund der guenstigen Lage niederzulassen. Richtigen Aufschwung erlebte Xing’an zur Zeit der Ming-Dynastie, die dann bis zur Bluetezeit der Qing anhielt.  Mit der Mingzeit erlebte das Chinesische Reich seine erneute Einheitlichkeit, so dass es nun wieder wichtig war, alte Schiffsverbindungen zu nutzen und sie strategisch zu sichern. Dabei spielte die Region um Guilin mit seiner „Durchfahrtsstrasse“ wieder eine bedeutende Rolle. Der  erste Ming-Kaiser ernannte zu diesem Zweck 1370 seinen 24. Enkel Zhu Shou Qian zum Koenig mit Namen Jingjiang und entsandte ihn  nach Guilin, um dort seine "Regierungsgeschaefte" aufzunehmen.

Die heute noch existierenden Bauten im Stadtkern von Xing’an stammen ueberwiegend aus der Zeit der Ming- und Qing-Dynastie, einige wenige aus der Song-Zeit. Waehrend der Ling-Kanal fast unbeschadet die Zeit bis heute ueberstanden hat, begann die Provinzregierung vor 4 Jahren mit einer teilmodernen Rekonstruktion der Stadt Xing’an. Der noch erhaltene kleine Teil der einstigen Stadtmauer konnte gut in das neue Bild eingefuegt werden. Vieles ist wieder im alten Stil aufgebaut worden. An der Stadtmauer vorbei fliesst durch das kleine Zentrum der Ling-Kanal. Entlang des wiederaufgebauten Altstadtteils, vorbei an der alten Kaufmannsstrasse, die vom Wasserweg rechtwinklig abzweigt, gelangt man entlang der schoen gestalteten Uferterrassen des alten Kanals zum Magischen Kern des gut ausgekluegelten Kanalsystems.


Sollte man zeitig am Morgen die „Federn“ verlassen haben, dann ist ein Besuch dieser sehr schoenen Parkanlage auf dem Wege dorthin auch ohne Eintrittsticket moeglich. Gegen 8.00 Uhr ist offizieller Einlass, davor wird die Parkanlage von der aelteren einheimischen Bevoekerung fuer ihre morgenliche Betaetigung genutzt und somit der Zugang frei....



Wunderschoene Steinbogenbruecken ueberspannen in regelmaessigen Abstaneden den Kanal. An einer schmalen Stelle des Parkes A , etwa zur Mitte hin hat man rechts zur gleichen Hoehe den Sued-Kanal, der einem mit langsamer Stroemungsgeschwindigkeit entgegenfliesst und zur linken Seite den ca. 5 - 7 Meter tiefer liegenden grossen breiten Xiang-Fluss, der weiter noerdlich irgendwann in den Yangtze-Fluss muendet. Die Stroemungsgeschwindigkeit am suedlichen Kanal,  bis zum Magischen Kern, kann sehr konstant gehalten werden, da sich auf der linken Seite ein Ueberlaufdamm B befindet, der bei zu starker Wasserfuehrung das Ueberschuessige in den tiefer liegenden Xiang-Fluss ableitet. Somit ist gerade fuer die Fahrt auf dem Suedkanal durch das Stadzentrum die Fliessgeschwindigkeit sehr guenstig fuer einen gegenseitigen Schiffsverkehr gewesen. Generell wird die Stroemungsgeschwindigkeit des Xiang-Flusses entscheidend auf raffinierte Art und Weise von zwei Dammwehren C ( 130m ) & D ( 344 m ) vermindert und damit fast auf einen konstanten Wert reguliert, der die Schiffbarkeit des Nord- und Suedkanals gewaehrleistet. Zuvor, bevor das Wasser des Xiang-Flusses auf die beiden schraeg liegenden Dammwehre trifft, wird es von einem Pflug-aehnlichen Gebilde - gleichmaessig aus grossen Steinen gemauert E von ca. 180 Meter Laenge, 23 Meter Breite, ca. 2 Meter aus dem Wasser herausragend -  in zwei Haelften geteilt. An dieser Stelle der Pfluganlage mit den beiden nach hinten seitlich nach rechts und links weglaufenden sperrenden Dammwehren,  wurde das Flussbett aufgeschuettet F, so dass hier das Stroemungsgefaelle auf ein erhebliches Mass reduziert werden konnte.  Vor der Spitze des „Pfluges“ ist die linke Haelfte des Stromes G wesentlich tiefer gehalten worden, um hier das Wasser zu teilen in ein 70 zu 30 Prozent – Verhaeltnis. Aus einer Linksbiegung kommend, kann somit bei starker Wasserfuehrung und eventuell mitgefuehrten Schwemmmaterialien im tiefen Teil der Xiang-Strom rechts an dem Steinflug vorbeifliessen in den Nordkanal, wo kurz nach dem hinteren Teil des Pfluges das Wasser ueber den Damm abfliessen kann, um erheblich die Stroemungsgeschwindigkeit fuer den Nordkanal zu reduzieren. Der vor dem Pflug linke flachere Teil des Flussbettes H fuehrt somit nur 30 % des Wassers zum suedlichen Kanal...und damit auch keine Schwemmmaterialen mit sich. Auch hier kann vorher das ueberschuessige Wasser des Flusses ebenfalls ueber den anderen seitlich gelegenen Damm ablaufen, bevor es dann anschliessend endgueltig den Suedkanal erreicht. Wie schon erwahnt, befindet sich ein Stueck weiter im Suedkanal nochmal ein Ueberlaufwehr fuer eine weitere Regulierung des Wasserstandes als sogenannte Feinjustierung. Direkt hinter dem Pflugwehr befinden sich also die beiden schrag liegenden Ueberlaufwehre, die das Wasser in den nun wesentlich tiefer liegenden weiterfliessenden Xiang-Fluss stroemen lassen. An dieser Stelle ist auf den folgenden 2,5 Kilometer  J das Gefaelle des Xiang sehr gross, so dass der Nordkanal notwendig wurde. Er ist in einem Zickzack-Kurs  K angelegt worden, um mit dem so verlaengerten Wasserweg die Stroemung zu mindern. Der Xiang-Fluss macht einige Kilometer nach dem Pflugwehr eine kraeftige Rechtsbiegung und trifft dann wieder auf den von rechts kommenden noerdlichen Ling-Kanal, der durch den langen Zickzackverlauf die Schiffbarkeit dieses Wasserweges gewaehrleistet.


 


Somit war es damals vor ueber 2000 Jahren moeglich, eine schiffbare Verbindung vom Kaiserhof in Peking bis runter zum Suedchinesischen Meer herzustellen, der die Voraussetzung fuer den militaerischen Erfolg von Qin Shi Huang darstellte und somit das Reich erstmals einigen konnte.



Von Peking ueber den Kaiserkanal in den Yangtze, stromaufwaerts bis zum Xiang-Fluss, weiter suedlich in den Ling-Kanal, der dann in den nach Sueden fliessenden Li-Fluss muendet, weiter ueber den  Perl-Fluss nach Kanton, dem Tor zum Suedchinesischen Meer.