Das Dorf  “Di Tang Cun”  aus der Zeit der Ming-Dynastie

 

             

Wenn man sich dem Dorf Di Tang Cun nach gut einer Stunde Fahrzeit von Guilin mit dem Bus naehert, vermutet man nichts Aussergewoehnliches, laesst es durch seine ersten Aeusserlichkeiten auf ein aus den 50-iger Jahren stammendes Dorf schliessen, das dabei ist, sich zu verjuengen. Aber schon beim Langsamerwerden des Busses sieht man auf der rechten Seite, vielleicht zweihundert Meter vor dem Dorf ein Doppel-Gebaeude mit zwei imposanten Dachhaelften. Die zwei verschiedenen Dachkonstruktionen werden sofort Blickfang, sind sie bezeichnend fuer einige der im Dorf vorhandenen Wohnhoefe. Die unterschiedlichen Dachformen symbolisieren das Gleichgewicht von Mensch und Natur, spiegeln die Harmonie wider, die ueber diesem Gehoeft liegt.

Das geschwungene Dach stellt das „Yang“ dar, das bezeichnend ist fuer die Natur, denn in ihr finden wir eher runde, geschwungene Formen. Die eckigen, quadratischen finden sich von Menschenhand geschaffen wieder, das dem „Yin“ zugeordnet wird...im Einklang mit der Natur. Dies wird also symbolisiert durch die eher leicht treppenfoermigen Dachenden rechts und links von der zweiten Haushaelfte. Im geschwungenen Dach sehen die chinesischen Menschen den Drachen, der die Verbindung zum kostbaren Nass herstellt, das schon immer wertvoller war als Gold und in religioesen Darstellungen eine gewichtige Rolle spielte. Um den Drachen zu zaehmen, zu kontrollieren, das Wasser zu baendigen, das als Regenwasser auf die Daecher des Hauses niederfiel, laufen die Daecher eines Familienhofes schraeg zum Lichthof in der Mitte zusammen, wo das Wasser dann gespeichert werden kann. Und kontrolliert wird der Drache, um sich vor Ueberschwemmungen oder Ueberflutungen zu schuetzen, durch die etwas hoeher liegenden Dachenden, die das Yin darstellen und dem Menschen die Zaehmung von „oben“ ermoeglichen.

 

 

Kaum haelt der Bus, sieht man sofort die versteckte geschichtliche Kullisse, sind von der Hauptstrasse zwei markante Merkmale alter Bauweise aus der Zeit der Ming-Dynastie rechts und links zu sehen. Ein schoenes restauriertes Eingangstor zu den vielen noch aus der Mingzeit erhalten gebliebenen Wohnhaeusern fordert einen sofort auf, den Fotoapparat aus der Tasche zu holen. Schraeg gegenueber auf der anderen Dorfstrassenseite ein kleiner Teich, den man von einem grossen zweistoeckigen Wohnhaus uebersehen kann. In der oberen Etage eine schoene kunstvolle Holzterrasse, die sofort ein warmes Flair ausstrahlt. Dahinter verbirgt sich ein grosser Wohnkomplex nach alter Bauweise, mit einem Lichthof, der gross genug ist, um den angrenzenden Raeumen das Tageslich zu spenden. Wunderschoene Holzarbeiten (2,3) blicken einem ueberall entgegen, wenn man sich im Innenhof einmal um die eigene Achse dreht. Ein Wohnhof aus der Zeit der Ming-Dynastie, ca. 400 Jahre alt. Wieder zurueck auf die andere Dorfseite, etwas auf einem Huegel liegend sind viele Bauten in den letzten Jahrhunderten durch neuere ersetzt worden. Trotzdem bietet sich immer wieder Gelegenheit, Schoenes, Kunstvolles (2,3,4,5,6) aus der alten Zeit zu betrachten, in der die Menschen heutzutage ihren Alltag zubringen. Nur ihre Arbeitstechnik, ihre Mobilitaet und der Neubau nebenan verraten, dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden. Und immer sehen wir die bewahrten Andenken an die grosse Zeit von Mao Tsetung (2,3). Verehrenderweise werden diese von den Bauern nachwievor gepflegt und geachtet. Ueberall findet man an den Tueren Bildnisse von ihm oder in den Wohnraeumen an besonderen Plaetzen Plakate oder Kalender mit seinen Geschichten und Bildnissen. Es ist nicht das erste Dorf, in dem mir die Ehrung des Grossen Steuermannes bewusst wird. Ausnahmslos in jedem der schon vielen Doerfer um Guilin habe ich ihn immer und immer wieder entdecken koennen. Es gibt Leistungen von ihm, die ich ebenfalls sehr hoch achte.

Freundlich gewaehren uns die Dorfbewohner nicht nur Einlass, sondern sie fordern uns auf, ein wenig naeher zu kommen. Peinlich ist man berueht, wenn wir fuer sie Fremde  die Privatgemaecher betreten. Aber die Menschen sind sehr gastfreundlich, sie sehen die Besucher gerne und haben keinerlei Beruehrungsaengste. Sie freuen sich mit einem, wenn wir staunend so den einen oder anderen schoenen Gegenstand ausgemacht haben. Wenn sie unsere echte Freude ueber die schoenen Dinge sehen, dann sind die Bewohner hocherfreut, sich mit ihren wertvollen Erinnerungen fotografieren lassen zu koennen.

Ohne lange zu zoegern sind wir aufgefordert worden, bei ihnen Platz zu nehmen. Bevor die Frage von uns beantwortet werden konnte, ob wir vielleicht mitessen wollen, steht schon der kleine flink herangeholte Hocker neben dem Esstisch, an dem die ganze Familie hockte und zusammen speiste. Nur mit vielen freundlichen standhaften Abwehr-Versuchen unsererseits gelang es, die Familie nicht weiter zu „stoeren“ und uns neugierig an die naechsten schoenen seltenen Dinge heranzumachen, die beim naechsten Nachbarn auf uns warteten.

Sechs Bruecken, die Harmonie fuer das Dorf bedeuten, durchziehen Di Tang Cun.

 

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