Geht nicht...gibt's nicht...

 

"...es war einmal vor vielen von hunderten Jahren in einer maerchenhaft schoenen Umgebung ganz in der Naehe des Flusses Kizil. Diese wurde von wenigen Reisenden aus den angrenzenden Morgenlaendern besucht, die hier kurz Halt machten und dann weiter des langen endlos scheinenden und schwierigen Weges gingen, bis sie nach ausgestandenen Strapazen an die Grenzen des chinesischen Kaiserreiches stiessen. War doch die Wueste, durch die sie wochenlang gehen mussten, eine der unberechenbarsten ueberhaupt. Aber weil diese Landschaft so unvergleichlich schoen und andersartig war, kamen immer mehr, die sich hier umschauten und mit den einheimischen Maerchenfiguren Handel betrieben, bis einer sich zum Koenig ernannte und sein Reich gruendete. Es wurde unter seiner Herrschaft ein reiches Land. Damit er den vielen Weitgereisten eine Unterkunft geben konnte, wenn der Wettergott fuer eine Weiterreise nicht gut gesinnt war, liess er ihnen frei, sich ihre eigenen Unterkuenfte zu schaffen. Viele viele Haende schufen in der Zeit des guetigen Koenigs hunderte von kleinen Behausungen. Die Menschen war sehr glaeubig und wussten sich zu helfen, wenn sie mehrere Wochen in den Grotten uebernachten mussten, bevor sie wieder ihre Kamele beladen und weiterziehen konnten. Sie schufen viele Fresken an den Waenden, um im taeglichen Gebet ihren Pflichten als Moench nachzukommen. Der, den sie verehrten, wurde in vielen lebendigen Zeichnungen festgehalten, ruehmten sie ihn doch fuer seine unendliche Weisheit und seine guten Taten.

 

Viele Jahrhunderte spaeter machte sich ein Abendlaendischer Gedanken, wie man diesen unaufhoerlichen Strom von Menschen aus dem tiefen Westen gen Osten nennen konnte, um nicht nach alten Strassennamen suchen zu muessen, waren die doch mit der Zeit vom Winde verweht. Er nannte diesen Weg mit seinen vielen vielen Glaeubigen und Unglaeubigen Seidenstrasse und den Namen vom alten Koenigreich entnahm er seinen Geschichtsbuechern"

                                                    

 

Kuqa ist heute eine immer noch gerne besuchte Oasenstadt, in der immer noch gehandelt wird wie zu alten Zeiten. Und die Grotten haben die Witterungs-Wirren der Zeit gut ueberstanden, hat das trockene Wuestenklima in den 1700 Jahre keinen grossen Schaden angerichtet. Die Moenche sind mittlerweile ansaessig geworden und konnten sich somit bessere Unterkuenfte errichten.

 

Auf der noerdlichen Route der Seidenstrasse ist Kuqa nicht nur wegen seiner welberuehmten Kizil-Grottenanlage bekannt. Auch sein sehr traditioneller Markt bietet noch uerspruenglichere Reize alter Zeiten als der bis vor wenigen Jahren noch geruehmte Markt in Kashgar. Ihn haben foermlich die Touristen aufgesaugt, so dass die Einheimischen neue Strukturen uebernahmen und heute Reisende ein touristisches Styling erkennen. In Kuqa treffen sich regelmaessig an bestimmten Wochentagen die Menschen aus Ost und West. Ein riesiger Markt, unuebersehbar gross bietet er auf der einen Seite die Waren der uigurischen Menschen an und ebenso gibt es den chinesischen Marktteil. Mit einer Stunde Marktbesuch ist es hier bei Weitem nicht abgetan. Gerne waere ich hier fuer einen langen Vormittag untergetaucht. Was wollte ich machen, wenn ich nur 2,5 Tage Zeit fuer Kuqa  mitgebracht hatte. Der Markt alleine ist Grund genug, hier ein weiteres Mal vorbeizuschauen.

 

Neben den Erlebnissen auf dem Markt erinnere ich mich gerne einer anderen Begebenheit.

Einen langen Tag wollte ich gerne nutzen, um mir die vielgereuhmten Grotten von Kizil und die von Kumtura anzusehen.  Waehrend der Besichtigung der zuerst angesteuerten Kizil-Grotten warteten meine beiden Begleiter die drei Stunden geduldig auf mich und unterhielten sich mit einer jungen Bediensteten, die um die Grottenanlagen bestens Bescheid wusste. Sie erzaehlte meinem Taxipaerchen, dass die Grotten von Kumtura nicht mehr im Rahmen einer normalen Besichtigung gezeigt werden, fuer den auslaendischen Touristen schwer  zugaenglich sind, muessen zudem fuer einen speziellen Guide mehr als 500,- Yuan Eintritt bezahlt werden. Ein Kapitel, was den Kunsthistorikern nicht wenig zu schaffen macht, ist Kunstraub. Die Grotten von Kumtura waren schon einmal Beute von auslaendischen Spezialisten in den 20-iger Jahren des letzten Jahrhunderts. Dieses Thema ist wieder aktuell geworden, sind doch besonders die Fresken in dieser Grottenanlage sehr schoen und zaehlen sie zu den altesten entlang der Seidenstrasse. Die Verantwortlichen sprechen nicht von einem Besichtigungsverbot, das wuerde zu viele auf den Plan rufen, sie nehmen einfach ein paar Steine raus aus dem Fluss zum Rueberlaufen...sehr geschickt.

Und genau diese Grottenanlage wollte ich mir nun anschauen. Ich hoerte nach meinem Eintreffen bei den Beiden von den sehr temperamentvoll vorgetragenen Einwaenden der jungen Dame. Gleich bog ich das Thema ab und meinte, dass ich mir gerne nur die landschaftliche Umgebung anschauen wollte. Die beiden steuerten nicht zum ersten Male das Gespraech sehr geschickt. Als die Leidenschaft der Dame durch meine Aussage wieder etwas abgekuehlt werden konnte, stiegen wir in den Wagen und fuhren zurueck.. Im Auto waren wir drei uns einig, dass wir erstmal dorthin fahren, um zu schauen...Alles andere wuerde sich spaeter ergeben. Nach 30 Kilometern waren wir am beschrankten Eingang zu diesem Reservat. Da die Schranke immer noch unten war, nachdem wir bereits anghalten haben, war uns klar, dass auf normalem Wege nichts geht. Ich sah mich schon unverrichteter Dinge wieder umkehren. Zudem erzaehlten die Bediensteten, die sich nicht so richtig bei ihrem Essen stoeren lassen wollten, dass wir nur zu Fuss die mehr als 10 Kilometer gehen muessten. In China ist der Chinese sehr pragmatisch veranlagt und alle wussten wir, dass hier bestimmt keine 10 Kilometer mehr dazwischen lagen. Vielleicht sind es 10 bis 20 Minuten, die man dann noch zu Fuss gehen muss, aber keine 2 Stunden, das ist dem Chinesen sehr fremd. Aber sicher waren wir uns nicht.

Ich ueberliess es  meinen beiden Ortskundigen, wieweit man sich nun vorwagen konnte, ohne Schaden anzurichten. Davon war aber nach der Sicherheit ihres Handelns keine Spur zu erkennen. Sie setzten ihr Fahrzeug zurueck und suchten einen Weg um den heissen Ort. Am Ortsausgang steuerte jetzt der Ehegatte das Fahrzeug direkt auf den Fluss zu. Ich dachte schon, jetzt hat das nagelneue Auto, sowieso schon mit Hightec ausgestattet, auch noch den roten Knopf, den er jetzt druecken kann und dann hebt sich eine Bruecke aus dem Flussbett. Er hielt den Wagen, seine Frau zog sich die Schuhe aus und watete durch das flache Flussbett, nach der besten und flachsten Stelle suchend und trug ein paar Steine zusammen, um die Loecher in der Strasse zu stopfen. Natuerlich sass ich im Auto nicht tatenlos rum...

10 Minuten spaeter ein erster Versuch, der auf Anhieb klappte. Wir waren auf der anderen Seite. Nun mussten wir nur noch die sandigen Stellen passieren, um auf die eigentliche Strasse zu kommen, die uns weiterbringen wuerde. Gesagt getan. Wir fuehren los mit vorsichtigem Speed und blieben im Sand stecken, ziemlich tief stecken. Nach einer dreiviertel Stunde im Buddelkasten kam von der anderen Seite aus sicherer Entfernung ein Fahrzeug an uns ran, reichte uns das rettende Seil und zog uns ganz sauber raus. Vor dem Flussbett hatte ich vorsorglich beiden gesagt, dass wir auch gerne umdrehen koennen, bevor es mehr Schwierigkeiten gibt. Ich glaube, mit meinem Kumtura-Abenteuer hatte ich sie jetzt erst richtig angesteckt. Jetzt locker lassen war nicht drin. Also liess ich den beiden ihr Tun. Ihr Mann wartete noch einen Moment, bis sich das andere Fahrzeug gaenzlich aus unserer Sichtweite verabschiedet hatte und nun gings ab zu den Grotten. Wie wir drei es schon vorher erahnten, wartete lediglich der letzte Kilometer von den zehn auf uns. In den naechsten drei Minuten standen wir vor der Grottenanlage, die eine sehr spannende Umgebung hatte. Hier haette sich ein ganzes Regiment verstecken und uns bei unserem Vorhaben ueberraschen koennen. Entdecken konnten wir im ersten Augenblick keinen. Waehrend sie im Auto blieb gingen wir beide zu den Grotteneingaengen rueber, um zu schauen, sind wir hier richtig oder nicht. Im Moment der Vergewisserung winkte ihr Mann mich ran und gab mir mit einer vorsichtigen Handbewegung zu verstehen, ich solle hier ganz schnell ein paar Fotos machen. Das war mir wieder zu heiss, wollte ich erstens gerne puenktlich morgen meinen Zug erreichen und zweitens meine Kamera behalten :-). Ich zoegerte genau im richtigen Augenblick, hoerten wir doch keine Minute spaeter die Stimme aus dem hoeher liegenden Hintergrund. Die kleine Behausung am Bergrand hatten wir vollkommen falsch eingeschaetzt, es war der Stuetzpunkt fuer den wachsamen Beobachter dieser Grotten. Ein freundlicher Herr kam zu uns herunter und unterhielt sich mit meinen beiden Weggefaehrten. Sie sagten ihm, wer ich sei, was ich schon in China gesehen hatte und was ich mir gerne anschauen wollte. Geduldig hoerte er ihnen zu und vernahm nachdenklich, dass ich fuer die Besichtigung dieser Grotten 500 Yuan zahlen muesste. Und 500 Yuan, die koenne ich nicht bezahlen sagten sie zu ihm, wobei ich merkte, dass ich jetzt am Zug sein sollte. Ich redete an seiner statt weiter und bestaetigte, dass das sehr viel Geld ist und ich schon eine lange Reise hinter mir hatte und das Geld dann auch nicht mehr ueppig ist. Ueppig habe ich zwar nicht uebersetzen koennen, aber verstand mich. Ueberraschenderweise fragte er mich nach 200 Yuan. Wenn es 100 Yuan waren, die koennte ich zahlen, aber mehr vielleicht nicht...entgegenete ich dann. Zu meinem Erstaunen bekam ich sein Kopfnicken zur Antwort. Ich stutzte, aber die anderen beiden verstanden sein chinesisch besser als ich und waren schon hinter ihm her. Ich Glueckspilz durfte mir fuer 100 Yuan also eine von den vielen Grotten von innen anschauen. In der auch noch darauffolgenden zweiten Hoehle bot er mir fuer weitere 100 Yuan das Fotografieren an. Dieses Mal durfte ich nicht nein sagen, das haette ich mir wohl spaeter nie verziehen. Er dagegen schien Gefallen an diesem Spiel zu haben, was ich jetzt wirklich meinen beiden Begleitern zuliebe unterbrechen musste. Mit einem solchen Moment haette ich nie gerechnet, in einer der aeltesten buddhistischen Grottenanlage und als einer der wenigen auslaendischen Touristen die Kunstwerke festhalten zu duerfen. Man kann schon sagen, dass ich an diesem Tag zu den Gluecklichsten zaehlte. Den Beiden war ich sehr dankbar.

Dass diese Tagestour unter einem besonderen Stern stand und nicht von finanziellen Werten gepraegt war zeigte sich am Abend. Ich hatte den beiden vor Beginn unserer Fahrt von meiner Begeisterung ueber die uigurischen Taenze gesprochen. Zu diesem Abend lud man mich gerne ein. Dass ich dann auch noch die gesamte Familie kennenlernte ist ein Zeichen der gegenseitigen Sympathiebekundung.

 

Als wenn mein Instinkt gestern besonders gefordert war in Anbedacht der heute erlebten Ueberraschung, hatte ich mir trotz Vorwarnung in meinem Reisefuehrer das Stadtmuseum von Kuqa angeschaut. Ich wusste nicht warum, aber Kuqa kann nur interessant sein, dass man ruhig den Gang durch das Museum machen kann. Es war genau richtig im Nachhinein. Das, was ich in den Kumtura-Grotten nur ansatzweise an Fresken gesehen hatte, befand sich in muehevoller Handarbeit kopiert komplett in diesem Museum. Gut, dass ich entgegen den Aeusserungen in meinem Buch mit "einer maessig interessanten Sammlung von Toepferwaren, Muenzen, Skeletten, sowie ein paar Fresken aus der Umgebung von Kuqa" gefolgt bin. Fuer Interessierte also nur zu empfehlen...

 

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