Kaili, 31.12.2007   

Es war ein schoener erlebnisreicher letzter Tag in diesem Jahr.

Auf dem letzten Pfiff aufgestanden, puenktlich 5 vor 12 ausgecheckt, unser Gepaeck im Hotel deponiert, machten wir uns auf die Suche nach einem neuerlichen Taxi, das uns zu den heutigen 2 Besichtigungspunkten mit den den Doerfern QING MAN und SHI QIAO fuehren sollte. Es galt ein weiteres Mal, mit einem Taxifahrer den preislichen Rahmen abzustecken. Dadurch, da ich nicht genau wusste, wie der Streckenverlauf ist und wieviel Kilometer zu berechnen waren, schlug ich vor, uns erst einmal nur bis zum ersten Dorf, Qing Man, zu fahren. Fuer angebliche 45 Kilometer sicherte ich ihm 80 Yuan zu, muesste er den Rueckweg vielleicht zufaellig auch noch allein zuruecklegen.

Heute wurde an der Strasse nach Qing Man gearbeitet. Fuer die Strassenraender, die anschliessend die neu Bitumschicht halten sollten, wurden die benoetigten Granitsteine aus dem direkt angrenzenden Gestein herausgesprengt. Somit war die Strasse fuer einige Stunden nicht passierbar. Es musste gewartet werden, bis die herausgesprengten Granitsteine ausreichend zerkleinert werden konnten, um sie abzutransportieren. In diese Wartesituation kamen wir. Auf das Risiko hin, vielleicht zu lange warten zu muessen, schlug ich vor, unseren Taxifahrer hier zu entlohnen. Und jetzt kam die Ueberraschung fuer uns und dann auch fuer ihn. Von den anwesenden Bauarbeitern erfuhr ich beilaeufig, das man den Rest der Strecke gut zu Fuss gehen kann, es waeren nur noch fuenf Kilometer bis nach Qing Man. Mein Tachostand-Gedaechtnis rechnete mir gefahrene 20 km aus. Der Taxifahrer jedoch war sich seiner  Sache immer noch sehr sicher und verlangte 70,- Yuan fuer diesen Abschnitt. Er bekam gar nicht mit, wie er seine guten Karten mehr und mehr verspielte. Anstatt mit mir fair zu handeln, blieb er auf seinem Geldanspruch sitzen. Ich stellte ihn zur Rede, wie er auf seinen Preis kam. Ich machte ihm seinen „Irrtum“ klar und sagte ihm auch, dass er jetzt fuer seine gefahrenen 20 km insgesamt genau 40,- Yuan von mir erhaelt. Anstatt mich verstehen zu wollen, wurde er dagegen immer lauter und ungemuetlicher. Langsam wurde mir sein Spiel zu bunt. Jetzt selbst sehr dringlich verlangte ich von ihm, dass wir uns unter vier Augen unterhalten werden und nicht vor den anderen, wo er staendig versuchte sein Theater zu wiederholen. Ich weiss nicht, was er in diesem Augenblick dachte, als ich ihn lautstark vor den anderen aufforderte, hierher zu mir zu kommen. Er wurde sehr kleinlaut. Ganz dicht bei mir stehend sagt ich ihm ein letztes Mal ganz in Ruhe meine Version von Fairness und forderte 10,- Yuan von ihm, um ihm dann meinen 50,- Yuan-Schein zu reichen. Ich traute ihm nicht. Anschliessend sein Gesicht vor den anderen bewahren wollen, zerriss er in meinem Beisein diesen Schein. Ich hatte mich aber schon zum Gehen umgedreht und ignorierte sein Tun, da ich wusste was jetzt kam. Er sah keine Reaktion von mir, ich dagegen nahm aus meinem Blickwinkel wahr, wie er daraufhin das Geld wieder einsammelte, flogen die Geldschein-Schnipsel schon durch die Gegend. Ich konnte nur schmunzeln und ging mit Juan weiter. Ich glaube, dieser Mensch hat nicht nur in meinen Augen sein Gesicht verloren, denn so kenn ich die Chinesen nicht. Die sehr sensiblen Chinesen wussten selbst, was sie von diesem Herren zu halten hatten. Sie blieben aus gutem Grund unbeteiligt. Im Gegenzug bot man mir fuer die Ruecktour Hilfe an, was mir als eine geschickte  Antwort erschien, wollte man seinen Landsmann nicht blossstellen.

Wir begannen unseren Fussmarsch und wenig spaeter sassen wir in einem der vielen Kleinbusse, die staendig zwischen den einzelnen Doerfern verkehren. Schnell war auch ein vernuenftiger Gesamtpreis im Gespraech fuer den Abstecher nach Shi Qiao, dem kleinen Dorf, in dem die Familientradition des Papierherstellens zu Hause war.

Dieses Dorf Shi Qiao liegt ca. 40 km von Kaili entfernt. Man erreicht es ueber Qing Man Dorf, ebenfalls ein Ort der Miao-Minderheiten. Landschaftlich sind diese beiden Doerfer von einer sehr reizvollen Gegend umgeben. Ueberall wird man immer wieder sehr schoen angelegten Reisterrassenfeldern begegnen, die anlehnend an die Bergformationen eine aeussertst reizvolle Kulisse abgeben. Man bleibt gerne stehen, um dieses terrassenfelddurchzogene, von hohen Bergen eingebettete Tal fuer sich festzuhalten. Die Verkehrsanbindung nach Shi Qiao ist gut, nur sind leider die letzten 20 km im Bau, bzw. Ausbessern, so dass einfach ein bisschen mehr Zeit eingeplant werden muss.

Irgendwann nach 40 km macht die Landschaft einen Knick und in dem nun linksabbiegenden langezogenen Tal sieht man ein kleines altes vertraeumtes Dorf...Shi Qiao. Es mag aus der Zeit der Ming-Dynastie herruehren. Dieses Dorf erinnert mich sofort an die Bauweise in Daxu oder Pingan. Hier sind die alten Holztueren ebenfalls in der Vorderfront herausnehmbar. Zudem verraet die Bausubstanz ihr wahres Alter. Es ist ein kleines Dorf. Nicht viele Familien haben sich hier niedergelassen. Aber alle haben sie eines gemeinsam. Sie verstehen sich der uralten Kunst der traditionellen Papierherstellung. Diese existiert in China seit ueber zweitausend Jahren. So, wie das Papier damals hergestellt wurde, ist es heute den Fertigkeiten der Dorfbewohner ueberlassen, diese der Nachwelt zu erhalten. Es ist eigentlich keine Jahreszeit fuer das Herstellen von Papier. Der Winter bringt keine optimalen Bedingungen mit sich. Trotzdem haben wir einige Familien angetroffen, die mir gerne gutes Fotomaterial liefern wollten.

Im ersten Haus sahen wir die vielfaeltigen kunstvollen Endprodukte der chinesischen Papierhersteller-Kunst. Einfaches Papier wird ueberwiegend fuer die traditionellen Zeremonien verwendet, die bei der Beerdigung eines Toten anfallen. Benoetigt werden hierfuer Papiergeld, kunstvolle Blumen, Textrollen, die den Toten auf seinem Weg begleiten sollen.

Das Papier wird aber auch fuer die Kalligrafie als Kunstform benoetigt. Buntes grobes Papier, das ausschliesslich von den Touristen verlangt wird, was dem Chinesen wiederum sehr unverstaendlich erscheint, mit kunstvollen Blumen durchsetzt. Dickes Tapetenpapier mit unendlich vielen feinen und groben Schichten, mit und ohne Inhalt, Papier in allen Varianten werden verarbeitet.

 

Im der nun folgenden Beschreibung meiner Beobachtungen zur Papierherstellung in Shi Qiao biete ich einen kurzen Ueberblick aus dem Internet an , der den Prozess der Papierherstellung  im Anschluss beschreibt:

 

…meine Version zur Papierherstellung im Dorf Shi Qiao am 31.12.2007:

 

Die Rinde des Maulbeerbaumes wird in duennen schmalen Streifen abgeschnitten und in grossen Buendeln in einem trockenen Raum gelagert. Diese Rinde wird in einem speziellen Becken unter Kalkzusatz gekocht und zerkleinert. Dazu durchlaeuft die gewaesserte Rinde in einem kleinen Rundbecken wiederholt durch ein Mahlwerk. Diese Prozedur dauert so lange, bis aus der gekochten Rinde nur noch eine breiige Substanz uebrig bleibt, die nun im Wasser des klaren Flusses reingewaschen wird. Die Kalkreste werden somit vollkommen entfernt. Dieses jetzt kleine filzartige Material wird in ein Steinbecken voll Wasser geschuettet. Das grobe Material setzt sich unten auf dem Grund ab, waehrend sich die leichteren Schwebeteilchen durch die staendigen Arbeitsbewegungen des Farmers nach oben bewegen. Er benutzt ein Bambussieb, mit dem er die leichten Schwebeteilchen aus dem Wasser sammelt. Zur gleichmaessigen Verteilung auf dem Sieb macht er nun vorsichtigere Bewegungen. Fuer diesen Vorgang des “Fischens” im Becken wird das Sieb in eine Haltevorrichtung  gelegt, damit der Bauer gleichmaessiger arbeiten kann. Jetzt hebt er das Bambussieb mit einer Groesse von ca. 150 x 80 cm aus der Halterung, dreht sich nach hinten um und legt die feine feuchte Schicht auf dem Tisch ab, auf der sich mittlerweile hunderte von Schichten stapeln. Fuer ein exaktes Abrollen legt der Farmer die untere Kante des Siebes an die zwei senkrecht stehenden kurzen Holzpfloecke an und im Anschluss die gesamte Flache auf das darunter liegende Material. Nun nimmt er vorsichtig die andere Kante des Siebes hoch und rollt die hauchduenne nasse Papierschicht vom Bambussieb auf den ca 15 cm starken Stapel ab. Jede Schicht bleibt durch die sofortige Verpfilzung beim Herausheben des Siebes eine Schicht fuer sich. Fuer eine solche Schicht von 1200 Blaetter benoetigt der Farmer einen halben Tag Arbeit…cirka 5 Stunden.

Im Anschluss wird diese dicke Schicht auf eine Presse gelegt, um den Austrocknungsprozess zu beginnen. Nach einem Tag wird die zum groessten Teil getrocknete Schicht in einen separaten, leicht angewaermten Raum senkrecht auf die Laengsseite gestellt. Hier trocknet es weiter, bis man immer noch leicht die einzelnen ganz duennen Schichten abziehen kann, um sie auf die Flaechen eines speziellen Ofens zu legen, der nun die Seiten in 90 Minuten zum endgueltigen Trocknen bringt. Dieser Ofen weist eine ganz speziele Form auf. Er ist ca. 6-8 Meter lang, 2 Meter hoch mit zwei langen rechteckigen Seitenflaechen, die von unten in der Basisbreite von ca einem Meter  auseinander stehen nach oben schraeg zusammenlaufen. Sind die Seiten trocken, die ueberlappend aus Platzgruenden auf die Ofenflaechen aufgebracht worden sind, werden sie vorsichtig abgezogen und fuer die weitere Verarbeitung im Lager bereitgehalten.

 
Hier nun die 2000 Jahre alte Verison im Auszug aus dem Internet zur Geschichte der Papierherstellung von Dieter Freyer:

 

“Die Wiege der Papierherstellung liegt im Fernen Osten, in China. Dort wurden Seidenbänder schon lange als Schriftträger verwendet, waren aber sehr teuer und kostbar. Bei der Seidengewinnung fällt beim Kochen der Seidenraupen-Kokons Flockseide an (die äußere, wirre Fadenschicht), welche im textilen Bereich Verwendung fand. Die noch verbleibende Fasersuspension wurde herausgeschöpft, gepresst, getrocknet und als Beschreibmaterial genutzt. Eine weitere Frühform des Papiers. Dieses Produkt war aber weich und von minderer Qualität. Erst die entscheidende Entdeckung, Hanffasern - ein damals billiges und leicht zu gewinnendes Bekleidungsmaterial - nach der gleichen Methode aufzubereiten, lieferte ein brauchbares festes Papier.

In China wurde in Gräbern der frühen Han-Dynastie (180-50 v.Chr.) das bisher älteste Hanfpapier gefunden. Aus dem Jahre 105 n.Chr. stammt die erste schriftliche Erwähnung der Kunst des Papiermachens. Der chinesische Minister Ts'ai Lun (?-121) beschreibt ein Verfahren zur Papierherstellung: aus den Fasern des Maulbeerbasts, Hanfabfällen, alten Fischernetzen und Hadern wird durch Stampfen in Steinmörsern und unter Zugabe von Wasser ein Brei erzeugt der dann mit einem Sieb geschöpft, gepresst, an der Sonne getrocknet und schließlich mit Steinen geglättet wird.

Diese Nachricht gibt uns einen Hinweis, wie die ältesten Verfahren weiterentwickelt wurden: der Ersatz des Tapa-Klopfens durch ein regelrechtes Stampfen im Wasser ermöglichte die Verwendung von Altmaterial zum Strecken des kostbareren Rohstoffes, des Rindenbastes (Recycling!). Zudem wird gleichzeitig der Ersatz des Geweberahmens durch ein Bambussieb erfolgt sein. Goss man beim alten Eingießverfahren jedes Papierblatt in ein separates Sieb, so genügte beim Schöpfverfahren mit flexiblem Bambussieb ein einziges Sieb, da nach dem Schöpfen das nasse Blatt abgelöst ("gegautscht") und separat getrocknet werden konnte.

Die damalige Handschöpfform der Chinesen bestand aus einem Rahmen, in dem ein mit Seidenfäden oder Tierhaaren verbundenes, feines Bambusgeflecht lose angebracht war und auf den beim Schöpfen ein Deckel gesetzt wurde, damit seitlich kein Stoff abfließen konnte. Mit dieser Form wurde aus einer mit Faserbrei gefüllten Bütte der Stoff geschöpft. Während beim Herausheben der Form das Wasser nach unten durchfloß, lagerten sich die Fasern auf der Bambusmatte ab. Nach Abnahme des Deckels wurde die Form mit dem Papierblatt nach unten auf eine Unterlage gelegt und das biegsame Bambusgeflecht vom Papierblatt abgerollt. Die fertigen Papierblätter wurden sodann ohne Zwischenlage aufeinandergehäuft, nach Fertigstellung eines größeren Stapels ausgepresst und anschließend an der Sonne oder auf andere Weise getrocknet.

Diese verbesserte Technik gestattete die Produktion von sehr feinen Papieren, die zu bevorzugten Schriftträgern wurden. Weitere chinesische Verbesserungen bei der Papierherstellung waren der Einsatz von Stärke als Leimungsmittel sowie der Gebrauch von speziellen Färbemitteln, welche die Eigenschft hatten, Insektenbefall hintanzuhalten.

Das hohe Ansehen, das Bildung und Literatur in der chinesischen Kultur genossen, sorgte für eine enorme Nachfrage nach Schreibmaterial. Papier leistete den wachsenden Erfordernissen der chinesischen Verwaltung Genüge. Später wurde es auch in Form von Papiergeld im Geldverkehr eingesetzt. Papier spielte in China auch bei religiösen Riten eine wichtige Rolle. Bei Begräbnissen wurden aus Papier gefertigte, symbolische Objekte verbrannt.

Die zunächst streng gehütete Kunst der Papierherstellung breitete sich von China zuerst nach Korea und Japan aus, wo sich eine sehr anspruchsvolle Papierkultur entwickelte.”

 

Copyright © 1999-2006 by Dieter Freyer

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…Das zu dieser Prozedur, die aeusserst interessant war und von mir zu meinem Glueck weitestgehend festgehalten werden konnte. Darueber bin ich sehr froh. Ich hatte mich auf diesen Besuch schon im Vorfeld sehr gefreut. Zu dieser uralten Traditionspflege passt meines Erachtens auch die originale Dorfkullisse.

Unser Rueckweg gestaltete sich ein wenig problematischer als erwartet. Unser Taxifahrer, der uns durch Shi Qiao begleitete, hatte wahrscheinlich nach seinem Abendessen kein starkes Interesse mehr , sein heutiges Supergeschaeft mit uns nochmal aufzuwerten. Urspruenglich hatten wir uns in Qing Man verabredet. Aus seinem “Anrufen sollen” wurde ein “Vielleicht”….und wenn ein Chinese sagt “Vielleicht”, dann meinet er 100 pro “Nein”…!

Wir machten uns auf den Weg, zu Fuss. In der Hoffnung, dass uns jemand mit einem fahrbaren Untersatz einholt, gingen wir gemuetlich die Strasse zurueck, um nicht in diesem Dorf in die Abendkaelte hinenzuwachsen. Lange mussten wir nicht warten. Ein Kleinbus nahm uns fuer die naechsten 10 Kilometer mit. Aufgrund der Eiseskaelte und ohne unsere Kopfbedeckung schlugen wir freundlich das Angebot der dort wartenden Motorbiker ab, uns fuer wenig Geld bis nach Kaili zu bringen. Aber eine andere, vollkommen von mir ignorierte Hilfeleistung war im Anrollen. Auch ohne meinen Arm zu heben haette dieser LKW-Fahrer angehalten. Es war ‘der’ Bauarbeiter, der uns bei diesem Disput mit dem Taxifahrer die Rueckfahrt anbot. Er war sehr freundlich und hielt uns gut im Gespraech fuer die letzten 30 Minuten bis zum Bahnhof. Zudem kam er auch nochmal auf dieses Geschehnis zu sprechen und fragt Juan, ob ich denke, dass sie, die Kaili’er alle so sind…? Ein freundlicher Blick meinerseits reichte ihm. Ich wollte ihm zum Anschluss wenigstens die Spritkosten erstatten. Aber ich wusste auch hoeflich zu reagieren um sein sehr freundliches  dringliches Abschlagen. Wir hatten uns verstanden. Tolle Geste !!! J Dieser Stolz von ihm war mir sehr angenehm !