Dienstlich fuehrte es mich ein weiteres Mal nach Kanton. Gegenueber meinem letzten Aufenthalt war es diemal keine Durchreise, um mein Visum zu verlaengern. Ich hatte also Zeit mitgebracht und konnte mir Einiges genauer anschauen. Bisher hatte ich jeden Aufenthalt in Kanton genutzt, ob eben bei meinen Dienstverlaengerungen oder bei der Ankunft in Hongkong nach meinem Rueckflug nach Guilin, um immer etwas von dieser interessanten Stadt mitzunehmen.

 

Canton, im chinesischen Sprachgebrauch Guangzhou genannt, ist die Hauptstadt der Provinz Guangdong und liegt an der Mündung des Perlflusses, 150 km vom offenen Meer entfernt. Rund 7 Mio. Einwohner leben im gesamten Verwaltungsgebiet, davon rund 6 Mio. in den Stadtbezirken, von denen wiederunm ca. 60 000 auf Wohnbooten im Perlfluss leben. Kanton war schon während der Tang-Dynastie (618–907) ein wichtiger Überseehandelsplatz, hatte  ersten Kontakt mit Europäern, den  Portugiesen um 1517 . Von der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts bis 1842 (Ende des Opiumkrieges) war Kanton einziger Außenhandelsplatz Chinas. 1924 wurde hier der erste Nationalkongress der Guomindang einberufen.

 

In der langen Geschichte Chinas war Guangzhou immer eine Stadt mit besonderen Schwingungen. Es war zur Zeit der Han-Dynastie die Hauptstadt fuer drei oertliche Dynastien: die Nanyue-Dynastie von 204-111 v.u.Z., der Suedlichen Han-Dynastie in der Zeit von 917-971 u.Z. und der suedlichen Ming-Dynastie von 1644-1664 u.Z. 226 u.Z., die Zeit der Drei Koenigreiche, wurde der Staat Jiaozhou (entspricht der heutigen Lingnan-Region) im Rahmen des Koenigreiches WU geteilt in Jiaozhou und Guangzhou. Kanton hiess seit dieser Zeit Guangzhou Staat. Von da an herrschten die noerdlichen und suedlichen Dynastien. In einer langen Zeit des Friedens nahm Guangzhou eine Vielzahl von Migranten auf, die ueberwiegend aus dem chaotischen Norden kamen. Die Migranten halfen bei der Entwicklung der Kultur und des technischen Fortschritts. Mit der Mingzeit begann Guangzhou, sich aktiv in das Welthandelssystem zu integrieren. In der Anfangszeit wurde durch den Kaiser der ueberseeische Handel mit den Laendern am Indischen Ozean, dem Roten Meer und dem Pazifischen Ozean stark gefoerdert. Zu dieser Zeit begann die eigentliche Bedeutung Guangzhous am Welthandel.

 

Soweit ich mich zurueckerinnern kann, besuchte ich das erste Mal den sehr beeindruckenden Ahnentempel der Familie Chen, sowie im Tempel der sechs Banyan-Baeume die  Blumenpagode. Ein naechstes Mal zog es mich in die Zeit der Kolonialpolitik zurueck...auf die Insel Shamian. Hier im Anschluss besuchte ich, zumindest was zu dieser Tageszeit noch uebrig blieb, den Qingping-Markt, dem beruehmtesten in ganz Guangzhou und wohl auch der beruechtigste in ganz China,...kann man hier zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten alles an lebendigem Nahrhaftem finden, was man sich fuer chinesische Spezialitaeten-Menues auch nur vorstellen kann. Ich war natuerlich nicht zu einem dieser Zeitpunkte auf dem Markt, wollte ich mir einiges ersparen. Fuer mich war es interessant genug, diese Gegend mit den 1000 kleinen und kleinsten Verkaufsgassen kennenzulernen. Der Markt ist kein ueblicher Markt, sondern ein Wohnviertel in der Nahe der Beijing-Lu und der Shamian-Insel, der mit diesen unzaehligen kleinen Gassen und Gaesschen durchzogen ist. Auf jedem nur denkbaren Quadratmeter wird verkauft, unterteilt in die einzelnen Gebiete der Warenangebotspallette. Als ich gegen 10 Uhr in dieser Gegend herumstoeberte, waren die meisten Laeden schon wieder dabei, zu schliessen, war doch ihr Geschaeft bereits fuer diesen Tag abgeschlossen. Ich stellte mit trotzdem vor, wie es sein muesste bei dem Gewimmel um 6 Uhr morgens. Ich glaube, es war das dritte Mal, da hatte ich nicht viel Zeit und nahm in der Naehe meiner Unterkunft die neue Fussgaengerzone um die Beijing-Lu mit. Es ist eine angenehme, zweiteilige Einkaufspassage, in der man dem modernen Konsum zur Genuege Aufmerksamkeit schenken kann, wenn man vielleicht exquisit oder aber nur etwas fuer die witterungsgerechte Kleidung haben moechte. Hier ist ein Wegtauchen in das traditionelle jederzeit moeglich, wenn man die gelegentlich auftauchenden kleinen Seitengassen nutzt. Dass Guangzhou mich mit der Zeit immer mehr beschaeftigt hat als Shanghai, liegt vor allem an der uralten Kultur, die Kanton als erste Hafenstadt, als erste Stadt ueberhaupt mit dem Ausland verband. Schon die Seidenstrassenkultur kannte chinesische und auslaendische Haendler, die sich hier in Guangzhou trafen.

 

Das vierte Mal war nur die U-Bahn-Fahrt in Guangzhou vom Sued- zum Ostbahnhof. Bevor ich mein Arbeitsvisum erhalten sollte, musste ich nach Hongkong und wollte diesen sonst immer sehr kostspieligen Aufenthalt so kurz, wie moeglich machen. Innerhalb von 36 Stunden war ich von Guilin aus startend auch wieder zu Hause. Mein Kollege hatte in seiner Hektik vergessen, sich rechtzeitig um meine Angelegenheiten zu kuemmern, so dass ich etwas „lustlos“ diese kurzfristig ungewollte Reise antrat.

 

Mit dem jetzigen 5. Besuch liess ich es wieder viel ruhiger und interessanter angehen. Dienstlich nur den gestrigen 15. Juli einplanend, war fuer heute alles offen, hatte ich vorsorglich meinen Rueckflug auf 20:25 Uhr festbuchen lassen. Ich kann zufrieden nach Guilin zurueckfahren. Gestern nach dem einstuendigen Aufenthalt im deutschen Konsulat nutzte ich den spaeten Nachmittag, um mir eine der wichtigsten Moscheen in ganz China anzuschauen. Es ist der Huai-Sheng-Tempel in der Guangta-Road, einer der ersten islamischen Einrichtungen in China. Man nennt sie auch Guangta-Si. Errichtet wurde diese Anlage zur Zeit der Tang-Dynastie. Es ist ein wichtiger Ort fuer die Verstaendigung zwischen den Chinesen und dem anders glaeubigen Volk. Der bald nach meiner kurzen Stipvisite einsetzende Regen liess mich sofort fuer eine kurze Pause in einem der vielen gegenueberliegenden islamischen Lokalitaeten Platz nehmen. Mit James Bond und einem typischen Spezialitaetenessen liess ich den Tag mit 19:30 Uhr unerwartet frueh zu Ende gehen.

 

 

Ausgeschlafen liess ich mich gegen 11:30 Uhr zum Mausoleum des Nan-Yue Koenigs aus der Zeit der Westlichen Han-Dynastie fahren. Das aeusserst interessante Museum befindet sich im noerdlichen Teil der Stadt, in der Jifang Road. Es ist das Mausoleum des 2. Nan-Yue Koenigs Zhao Mei mit einmaligen Zeugnissen aus der Zeit von 202 v.u.Z. bis zum Jahr 9 u.Z., der westlichen Han-Dynastie. 1983 wurden bei Ausgrabungen ueber 2100  Grabbeigaben von besonderer Guete entdeckt. Es ist das aelteste Grab und groesste Han-Grab, das bisher freigelegt wurde. Es ist in 7 Teile aufgegliedert, besteht aus der Vorkammer, einem oestlichen und westlichen Fluegel, der Hauptsarg-Kammer, den oestlichen und westlichen Nebenkammern und zuletzt der hinteren Kammer. Zu den entdeckten Funden zaehlen einmalige und einzigartige goldene und silberne Gefaesse, beeindruckende Jadearbeiten, kunstvoll bearbeitete Bronzegefaesse, Musikinstrumente, das beruehmte vollstaendige Jadegewand, dessen Jadeplaettchen alle mit Seidenfaeden verknuepft wurden. Es ist zudem auch das einzige Steinkammer-Grab der Westlichen Han-Dynastie mit Wandmalereien. Ausserdem wurde in diesem Grab das bisher aelteste kaiserliche Siegel mit dem Namen „Zhao Mo“ entdeckt. Mit dem Siegel erklaerte sich der zweite Nan-Yue Koenig auf der gleichen Rangstufe wie der Han-Herrscher. Neben chinesischen Gegenstaenden wurden Stuecke aus Zentralasien, iranischen und hellenistischen Regionen gefunden. Ein persisches Slberbehaeltnis im Grab ist das frueheste bis heute aufgefundene Importprodukt in China. Hervorzuheben aus meiner Sicht sind die faszinierenden Jadearbeiten, teilweise mit Goldelementen bestueckt. Eigentlich zieht es mich mehr in die Natuer als in ein Museum, muss aber  wirklich feststellen, dass mich die hier ausgestellten Exponate der unterschiedlichsten Art ausserordentlich begeistert haben. Ich habe mir in China einige interessante und wichtige Ausstellungen angeschaut in den letzten 10 Jahren. Dieses Museum, das nicht ohne Grund zu den 80 wichtigsten auf der ganzen Welt zaehlt, hat mich sehr interessiert und leider viel zu wenig Zeit mitgebracht. Dafuer waere ich gerne etwas frueher aufgestanden.... Fuer die Anhaenger der Seidenstrassenkultur und seiner Zeitepoche ist dieser Besuch, sollte man in Kanton Zeit haben, eine „zwingende“ Empfehlung.

 

...text wird noch bearbeitet, fotos kommen demnaechst hinzu...