Man suche einen Chinesen von 1,3 Mrd. ...

 

…es war einmal an einem 13 Mai im Jahr 2005.

Muede sass ich im Foyer des Hotel „Zhangye“. Ich hatte die letzte Nacht wenig geschlafen. Als meine drei tschechischen Mitfahrer um 3 Uhr den Zug verliessen, war auch meine Nacht beendet. Irgendwann war ich nochmal kurz weg, trotzdem war die Nacht zu kurz und um 9 Uhr vorbei. Puenktlich um 12:40 Uhr, das erstaunt mich immer wieder bei diesen langen Strecken, erreichte der Zug Zhangye. Mit dem Taxifahrer verabredete ich fuer morgen frueh den Abfahrtstermin zum Mati Si Kloster, einem buddhistischen Tempelkomplex, der mit seinen total aussen haengenden Raeumlichkeiten an einer ueber 120 Meter hohen senkrecht stehenden Felswand beeindruckt. Von Weitem sehen sie aus wie rechteckige Schwalbennester.

Bei Fahrten ausserhalb der Stadt muss man in China immer so in etwa 1,- bis 1,50 Yuan fuer einen Fahrkilometer rechnen, also war der gemachte Preis von ihm in Ordnung. (Stand 2005 )

Hier in Zhangye wollte ich gerne nebenbei schauen, ob ich meine Maultaschen-Koenigin von 2001 wiedersehen wuerde. Zudem hatte ich auch eine Menge Fotos in meinem Reisegepaeck, die ich hier gerne loswerden wollte.

Den nicht mehr vorhandenen Marktplatz habe ich schnell gefunden, hatte ich ihn noch gut in Erinnenrung, war doch die Rikschafahrt vor 4 Jahrenvon etwas amuesant . Damals wollten wir uns nur vom Marktplatz bis zum Hotel ein wenig kutschieren lassen, aber die Fahrt zur touristenarmen Zeit wollte bei ihm kein Ende nehmen. Immer wieder fand der Rikschafahrer Seitenstrassen, in denen er laut klingelnd eine gute dreiviertel Stunde lang seine Bekannten und vielen Freunde oder Unbekannten antraf. Irgendwann fiel uns das mit diesem verkehrstechnisch grundlosen Klingeln auf und beim Hinterfragen seiner „das ist das Haus vom Nikolaus“-Fahrweise bekamen wir immer nur mit seinem schmunzelden Gesicht begeisternde Antworten nach hinten gereicht. Wir dachten spaetestens nach 30 Minuten an unseren sparsamen Geldbeutel fuer diesen Tag, waehrend er an etwas anderes dachte, hatte er doch in Zhangye die einzigen beiden Touristen aufgelesen. Weiss ich, was der tuechtige Rikschafahrer fuer eine Wette eingegangen sein muss. Jedenfalls konnten wir erst so richtig darueber herzhaft scherzen, als wir seinen wahren Hintergrund zum Ende der Fahrt merkten, als es bei den vereinbarten 10 Yuan blieb....es ihm nicht ums Geld ging...jedenfalls nicht in diesem Moment.

Auf dem besagten Markt haben wir uns mit ’ner Nudelsuppe wieder langsam beruhigt. Wir waren beide auf diesem riesengrossen ueberdachten Essensmarkt, auf dem all die kleinen fahrbaren Restaurants standen. Kaum eine gastliche Menschenseele war zu finden, die Essenszeit war vorbei und somit auch der Markt leer. Nur die Restaurantbesitzer sassen in diesem Moment entspannt an ihren Tischen und bereiteten das Essen fuer die naechste Welle vor, die spaetestens ab 18 Uhr im grossen Stile zu erwarten war. Somit fielen wir natuerlich beim Erscheinen auf deren Oberflaeche doppelt und dreifach auf. Anstatt der sonst ueblichen sehr lauten und von drei oder vier, fuenf, sechs gleichzeitig „loszeternden“ Aufforderungszeremonien, bei einem der aufgestandenen "Geschaeftsleute" am Tisch Platz zu nehmen, machten sich bei uns nur sanfte Geraeusche bemerkbar. Man wollte uns mit der chinesisch temperamentvollen Art nicht verschrecken. Sie achteten dabei genau auf unsere Winkelzuege im Gesicht, und so lange diese nach oben zeigten, vernahmen wir bis zu unserem Platznehmen an einem der ueber 100 kleinen Restaurants kleine Achtungszeichen, dass es hier Nudeln gibt, dort Nudeln oder hier wieder Nudeln. Aber eigentlich konnte man auf dem Markt alles finden, neben preiswerten Nudelgerichten fuer umgerechnet 40 Cent bis ....unendlich.

...ich stand nun vor der riesigen Baugrube und war etwas traurig, meine Fotos nun doch wieder mitnehmen zu muessen. Von einer jungen Dame, die neben der riesigen Baustelle ein Restaurant hatte, wurde ich angesprochen und anstatt ihr mit meinem wenigen Chinesisch zu antworten, zeigte ich ihr kurzerhand die Fotos und deutete dabei auf den leeren Flecken Erde vor mir. Sie verstand, liess mich freundlich nickend stehen, rannte in eine Richtung los und kam nach 5 Minuten mit zwei ca 15-jaehrigen Maedels wieder. Die Mutter von den beiden Kindern hatte einen auf meinen vielen Marktfotos widererkannt und wusste auch sofort, wo sie ihn jetzt hinstecken musste. Ich dachte so bei mir, das ist aber schoen, dass die beiden mich gleich zu ihm bringen werden, so gleich um die Ecke....dachte ich. Ich also den Beiden hinterher, fuehrten Sie mich zu einem neuen Marktplatz, der mit kleinen winzigen Restaurants wind- und wettergeschutzt versehen war. Man hatte modernisiert. Aber mein Foto-Double fanden wir nicht. Die beiden Maedels fragten in einem der vielen endlos scheinenden Restaurants und erhielten tatsaechlich gute Nachricht. Jetzt mussten wir also gleich da sein...dachte ich wieder. Die beiden Maedchen blickten zu mir und forderten mich auf ihnen zu folgen. Ich tat es und wir tauschten unsere spaerlichen Englischkenntnisse aus, was ganz lustig war. Mein Englisch war  schwer und langsam genug, dass sie mich sehr gut verstehen konnten. Ich musste immer wieder schmunzeln, waere mir doch eine perfektere Sprechweise im Moment lieber gewesen. Wir stiegen in einen Bus ein und ich wusste nicht, wohin sie mit mir wollten. Nach 15 Minuten Fahrt stiegen wir an einem Busbahnhof aus und ich wieder hinter ihnen her. Sie fragten an dem Schalter nach einem weiteren und schon hatte ich in meiner Hand ein Ticket. Wir warteten 20 Minuten auf die Abfahrt. Man liess mich aber nicht allein, sondern gemeinsam setzten wir uns in den Bus, der mich nun zu einem geheimen Ort bringen sollte. Mittlerweile fuellte sich dieser und ich hatte in den darauffolgenden 45 Minuten die Fingerabdruecke aller Businsassen auf meinen Fotos , die ein- und ausstiegen und sich gemeinsam Gedanken um den raetselhaften Mann vom Marktplatz machten. Jeder steuerte seinen herzerfrischenden, aber sich sorgenden Beitrag dazu. Einer der aelteren Faehrgaeste erkannt  diesen Mann auf meinem Foto wieder und so waren sich dann alle 25 Chinesen einig, dass ich diesen wohl bald antreffen werde, denn es verstummten langsam die Gemueter. Jeder war wieder mit sich selbst oder dem Nachbarn beschaeftigt. Schmunzeln musste ich immer wieder darueber, dass jeder der neu Hinzugestiegenen meine Fotos in die Hand gedrueckt bekam oder sie sich einfach nahm, nachdem er bemerkte, hier geht es um was Besonderes. Es war ausserst unterhaltsam im Bus fuer alle Beteiligten. Nach gefahrenen 15 Kilometer und gefuehlten 60 Minuten stiegen meine Maedels aus und wie mit einer Wuenschelroute in der Hand, dem Foto folgend fanden sie meinen Restaurant-Koch, der total verdattert das Foto zaghaft in die Hand nahm, mich immer wieder anschaute, als wenn er  sagen wollte...das bin ich ja und wie komm ich darauf ...und das Foto zu mir....?...Mit dem besseren Chinesisch der Maedchen erklaerten sie ihm die Situation und ich konnte dem immer noch verdutzten Koch meine kleine Mappe mit den Zhangye-Fotos vom Markt ueberreichen. Dieser Mann war immer noch "benommen", ich waere es sicherlich ebenso, wenn umgekehrt ein Chinese das mit mir in Berlin tun wuerde.... 

Gerne waere ich seiner freundlichen Einladung zum Nudelessen gefolgt, musste ich aber nun ein wenig Gas geben, wollte ich heute noch das Amt fuer Oeffentliche Sicherheit im Zentrum von Zhangye erreichen. Ich brauchte fuer die morgige Fahrt doch noch die Genehmigung (Anmerkung: heute nicht  notwendig, auch schon 2005 nicht mehr...nur war mein Reisefuehrer nicht auf dem Laufenden)

Diesmal ich die Busfahrt mit grossen Ueberredungskuensten spendierend entliess ich die beiden Maedels mit vielen chinesischen Dankesworten an ihrem Ausgangspunkt.

 

Ich hatte ein sonderbares angenehmes und vertrautes Gefuel bei dieser lustigen Unternehmung...An diese Fahrt erinnere ich mich immer wieder gerne zurueck...obwohl sie vollkommen unspaektakulaer war.