Olympische Gedanken...

Nicht nur die Erfolge der chinesischen Sportler haben mich in den letzten Tagen begeistert. Topfit auf die Minute stellen sie sich der nicht weniger starken Konkurrenz und brillieren mit souveraenen Leistungen. Was ich im Fernsehen beobachten konnte, sind die chinesischen Sportler sicherlich auch physisch, vor allem aber technisch stark in ihren Leistungen. Das chinesische Publikum ist ein echter Heimvorteil und begeisterungsfaehig, wie ich selten ein sportliches Publikum erlebt habe. Ich mag auch das nordeuropaeische Temperament bei sportlichen Veranstaltungen, die einen sehr guten Nerv fuer jedwede positive Leistung haben. Vielleicht fehlt dem chinesischen Publikum bei ihrer Begeisterung fuer ihre Klasseathleten ab und an das differenzierte technische Verstaendnis. Es ist aber auch fuer viele der tausenden Besucher die ueberhaupt erste grosse internationale Sportveranstaltung, so dass hier erste Erfahrungen gesammelt werden. Was aber wirklich fuer jeden der chinesischen Sportler von unbaendigem Vorteil ist, dass jeder frenetisch angefeuert wird, ob mit Siegeraussichten oder nicht. Man kann in den Augen der Sportler sehen, dass sie das spueren, dass sie getragen werden auf einer Woge der Begeisterung. Es ist aber nicht einfach nur ein frenetisches Anfeuern, sondern hier kommt der ganz individuell persoenliche Begeisterungsfaktor eines jeden Besuchers zum Vorschein, denn Emotionen zu zeigen, das ist etwas in China, was zum positiven Alltag zaehlt. Man haelt sich nicht zurueck, man spielt kein Theater....so wie jeder ein Gefuehl fuer den eigenen Mann da unten auf der Matte empfindet, der stellvertretend fuer ihn, fuer das chinesische Volk kaempft, so geben sich auch die vielen tausenden Besucher. Es ist ein hoefliches Publikum, ein Publikum, das auf die Leistungen der Konkurrenz ebenfalls positiv reagiert. Pfiffe gibt es nicht, nur Begeisterung.... Die Menschen auf den Zuschauerraengen reagieren auch auf Emotionen der Sportler aus dem westlichen  Ausland. Die Menschen nehmen in dem Augenblick einer verpassten guten Plazierung oder einer verpatzten Uebung teil an dem Momentsgefuehl des Sportlers. Traenen in den Augen des Sportlers, der ungluecklich seine Uebung beendet hat, laesst das Publikum ihn mit einem sanften Haendeklatschen wissen, dass sein Gefuehl in diesem Moment verstanden und geteilt wird. Wenn der Sportler dies bemerkt und anschliessend der manchmal zu nahen Kamera als Gruss zurueckwinkt, was auf der Tafel gross abgebildet wird, dann bricht erneut ein stuermischer Beifall aus, einer fuer diesen im Moment traurigen Sportler. Selbst das Betrachten dieser kleinen Momente von meinem Fernsehsessel aus geht mir diese Begegnung unter die Haut. Bescheidenheit ist etwas, was die chinesischen Olympioniken durch die Bank weg auszeichnet. Mit Leistungen brillierend, nehmen sie bescheiden ihre Glueckwuensche entgegen. Sicherlich koennen sie genauso jubeln fuer die hart erkaempfte gute Plazierung, wie jeder andere Sportler auch. Sie haben aber etwas, was den Respekt vor der Leistung des Mitkonkurrenten jederzeit bedingungslos seine Hochachtung wahrt. Nicht unbedingt stehen Sportler aus der bunten Welt im Rampenlicht der chinesischen Presse, die nur fantastische Leistungen vollbringen. In die Fernsehstudios werden gerne Sportler eingeladen, die der chinesischen Mentalitaet nahe kommen, die ihr Leben, ihren Sport mit Gefuehl leben.... So zum Beispiel der polnische Turner, der sich in die Phalance der Chinesen mit seiner am Sprunggeraet eroberten Goldmedaille hineinturnen konnte. Oder die kleine sehr sympatische amerikanische Turnerin Shawn, die ebenfalls Gold holte im Turnen...auf dem Balken und durchweg eine freundlich anzuschauende kleine bescheidene Persoenlichkeit ist, .... der russische 34 jaehrige Wasserspringer, der mit Leistungen und seinem angenehmen Auftreten die Chinesen begeistert hat. Oder aber auch unser Gewichtheber, der die unerwartete Goldmedaille seiner Frau gewidmet hat und bei der Siegerehrung ihr Foto in den Haenden hielt, was wie ein Feuerwerk durch die chinesische Presse ging. So etwas interessiert die chinesichen Menschen, sie wissen, was es heisst, einen Menschen verloren zu haben und zu einem besonderen Zeitpunkt diese Ehrung zuteilwerden zulassen. Sie haben Hochachtung vor den Sportlern, egal ob Ost oder West, die ihren Sport in ihr Leben und zu solchen Momenten einbinden und sich nicht nur hinter dem Edelmetall „verstecken“.

Die ganzen 13 Tage seit der traumhaften Eroeffnung der Olympischen Spiele liessen mich an aehnliche Situationen erinnern, die ich vor weinigen Monaten im chinesischen Fernsehen miterleben konnte. Die chinesischen Menschen stehen ihren Sportlern wie eine sichere Bank im Ruecken, sie befluegeln die Sportler zu teilweise nicht erwarteten Leistungsspruengen. Dieses „Zhong guo jia yao“ erinnert mich an die gleiche kraftvolle Bewegung der Bevoelkerung nach dem Erdbeben vom 12. Mai dieses Jahres. Die Tausenden Betroffenen in Sichuan wussten, sie werden nicht allein sein....So, wie damals spuere ich auch hier die vereinte Kraft, die Gemeinsamkeit der Menschen, das tiefe Miteinander des Zuschauers mit dem Sportler, das Zusammenwachsen, das Zusammenhalten der Menschen...

 

Guilin 21. August 2008

 

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