Rongjiang, 25.12.2007

                                               

Diesen Trip von Zhaoxing nach Rongjiang haben wir gut ueberstanden. Anders als geplant (7:00 Uhr) sind wir erst gegen 12:00 Uhr in Zhaoxing gestartet. Ein Bus sollte von hier aus direkt nach Congjiang fahren. Da aber einer der Dorfbewohner etwas von Reifenpanne erzaehlt hatte und der andere von einem grossen Markt in Luo Xiang, so dass kein Bus unbedingt bis nach Zhaoxing fahren muss, da sich das Leben in Luo Xiang abspielte, sind wir mit einem Kleinbus (6,- Yuan p.P.) die wenigen 5 Kilometer bis nach Luo Xiang gefahren, um hier in der „Kulturstrasse“ umzusteigen und einen der regelmaessig nach Congjiang fahrenden Busse zu nehmen. Ich erinnere mich, dass ich damals zum Neujahrsfest in umgekehrte Richtung die wenigen Kilometer mit meinen Zhaoxing-Begleitern in die Dong-Hauptstadt gelaufen bin. Dafuer haben wir damals knapp 70 Minuten gebraucht entlang der gut asphaltierten Strasse.

Kaum waren wir in Luo Xiang, in dieser mit Bussen auf uns wartenden Kulturstrasse, ging es wenige Minuten spaeter gleich weiter. Fuer 72 Kilometer zahlt man einen Preis von 12,- Yuan p.P.

In Luoxiang war heute grosser Markttag, so dass wir nur zoegerlich aus dieser kleinen lebendigen Stadt herausgekommen sind. Manchmal des unmoeglich erscheinenden Weiterfahrens durch genauso entgegenkommenden Verkehr, bietet die Strasse von vielleicht drei bis vier Meter Breite auf einmal wie von Geisterhand ausreichenden Platz  bis zur naechsten Untiefe. Als Europaeer ist man geneigt zu sagen, hier wuerde ich warten und halten, um dem Entgegenkommenden die Vorfahrt zu bieten, weil es vielleicht aus unserer Sicht die einzige Moeglichkeit des Weiterfahrens waere. In China ist auch das anders, man faehrt bis zum forschen Ende vor...und nur im aller aeussertsten Notfall wird der Rueckwaertsgang eingelegt. Es ging nach chinesischer Art weiter.

Nach gut 60 Kilometer wurde ich im Bus etwas unruhig. Gespannt erwartete ich auf der linken Seite der Strasse in der Senke liegend mein kleines Dorfwunder, das mich mehrere Tage damit beschaeftigte, den wahren Zweck bestimmter kleiner Gebaeude herauszubekommen, die nicht eindeutig wie Wohnhaeuser ohne Fenster aussahen. Mehrmals musste ich damals im Tagebuch meine Erkenntnisse korrigieren. Ich hatte so etwas an kleinen Holzhaeusern auf Stelzen und engstem Raum, umgeben von mehreren kleinen angelegten Teichen noch nicht in China gesehen. Rechts und links davon die kleinen Berghaenge, an denen sich die groesseren Wohnhaeuser befanden. Es sah maerchenhaft schoen und geheimnisvoll zugleich aus, was auf eine endgueltige Antwort bis zum Wierdrauftauchen in Guilin brauchte. Zudem schien damals die Sonne in einem abendlichen Winkel, dass mich die Romantik ein wenig verwirrt hatte. Ich bin damals kaum in Congjiang angekommen, hatte nur zufaellig fuer einen winzigen Moment diesen Anblick erhaschen koennen...war fasziniert und irritiert zugleich und wollte unbedingt des Raetsels Loesung finden..., schnappte mir ein Hotel um die Ecke und ging geradewegs die drei Kilometer zurueck. Es war eine schoene kleine Oase, die mich wirklich erst einmal 3 Minuten stillstehen liess. Um mir alles naeher anzuschauen, ging ich langsam den kurzen steilen Weg hinab, den die Frauen mit ihren schweren Wasserbehaeltern hinauf mussten, um das taegliche Wasser von der dortigen Quelle nach Hause zu tragen. Hier, wo man die Maennerarbeit vermutet, wird sie von weiblicher Hand getan. Bei den Dongvoelkern werden mit der Eheschliessung die Spielregeln klar definiert. Die Frau traegt am Tage ihrer Hochzeit das erste Mal in festlicher Kleidung das Wasser, in Begleitung der weiblichen Familienmitglieder vom Braeutigam, zum Haus desselben. Und wenn sie dies einmal getan hat, dann wird sie es ein Leben lang nicht mehr loslassen.

Alles, was es zu tragen gilt auf diese Art und Weise, uebernimmt wahrscheinlich auch noch gerne...die Frau. Auf meiner langen Wanderung nach Mapang, noerdlich von Chengyang gelegen, konnte ich mich von der Ernsthaftigkeit dieser Spielregeln ueberzeugen. Kurz vor Mapang, einem leider etwas "schmuddligen" Dorf, bin ich die restlichen 2 Kilometer von insgesamt 14 ein langes Tal entlang gewandert. Hinter mir in weiter Entfernung nahm ich ein Paerchen wahr, das mir mit immer geringerem Abstand folgte. Ich konnte erkennen, dass die Tragestange auf den Schultern der weiblichen Person ruhte. Irgendwann schaute ich mich wieder nach ihnen um und sah die Frau immer noch in ihrer tragenden Position. Nun wusste ich nicht, ob sie eventuell schon mal gewechselt haben. Da ich sowieso mit meinem Hunger dran war, machte ich eine Pause. Ich wartete vergebens. Nicht, dass sie mich nicht erreichten, nein sie liefen freundlich an mir vorbei, sie freundlich gruessend, die nicht leichte Last tragend, er freundlich gruessend die Haende in der Hosentasche...und das seit ca. 30 Minuten, seit ich sie beobachtete. Nach vorne hin gleiches Schauspiel. Die naechsten  Kilometer begleitete ich sie bis ins Dorf mit unveraendertem Bild.

Nach meinen vielen wechselnden Vermutungen, dass es vielleicht doch Getreidespeicher waren, da ich entsprechende Geraetschaften unter jeder dieser Huetten fand, bestaetigte sich ja dann irgendwann. Es waren also die Speicher, die die Lebensgrundlagen dieser Menschen hier sicher vor einem eventuellen Feuer aufbewahrten. Dadurch, dass diese Getreidespeicher weit weg von den Wohnhaeusern in einer Talsenke inmitten dieser kuenstlich angelegten Teichanlage standen, kann ein Uebergreifen eines ev. Feuers somit gut verhindert werden.

So ist es dieser Tage mit dem schoenen, interessanten und urtuemlichen Dorf Tang’an passiert. Ein Feuer hat den groessten Teil der Haeuser vollkommen zerstoert. Tang’an war Anziehungspunkt, das zu einer sehr schoenen Wanderung entlang oder durch die Reisfeldterrassen einlud. Dadurch, dass die Felder in diesem Gebiet dreimal bestellt werden konnten, sahen sie auch im Winter sehr sommerlich aus. Hauptanbau ist in der winterlichen Gemaueseanbauzeit Raps. Das Gelb der Planzen steht besonders schoen in den Monaten um das Fruehlingsfest. Gleichzeitig bluehen bereits bestimmte Baeume mit ihrem zarten rosa, so dass die Farbenpracht einen um die jahreszeitliche Orientierung bringt.

Ein Feuer in diesen Doerfern ist besonders gefaehrlich, da die Haueser, um dem Unwetter besser trotzen zu koennen, viel Schutz auch fuer die Dorfbevoelkerung geben, sehr beieinander liegen. Die Haeuser sind teilweise so dicht gebaut, dass die grossen ueberstehenden Daecher mit ihrer dazu noch breiteren zweiten Etage den Bewohnern einen relativ trockenen Gang anbieten.

In Congjiang wartete man bereits auf uns. Nahtlos puenktlich um 14:30 Uhr uebernahm der andere Bus die restlichen 80 Kilometer bis nach Rongjiang. (20,- Yuan p.P.) Die Fahrt wurde jetzt sehr angenehm. Nicht nur, dass die Strasse wieder eine Strasse war, sondern auch landschaftlich tat sich so einiges am Wegesrand. In regelmaessigen Abstaenden taten sich wunderschoene Haeuserburgen der Dong- und Miao-Voelker auf. Sie sehen sehr idyllisch aus. Selten wurden diese naturbelassenen Ansichten von selten dazwischen gestellten, ueberhaupt nicht dorthin gehoerenden Steinbauten, gestoert.

Bei den sehr einfach lebenden Menschen treffen sich hier in diesen Gegenden meist nur Natur und Natur. Somit bietet sich ein sehr romantisches Bild von vielem Gruen und den scheinbar unendlich anmutenden dunklen Holzhaeusern, die getarnt in der Natur stehen.

Kurz vor 17:00 Uhr waren wir in Rongjiang (Fotos 2,3,4,5). Unmittelbar in der Naehe vom Busbahnhof wartete das neu rekonstruierte Hotelgebaeude auf uns. Den auslaendischen Touristen werden jetzt Hotels mit entsprechendem Standard angeboten, um die immer wieder unverstaendlich auftretenden Reibungsflaechen mit nachfolgenden eventuellen Reklamationen zu vermeiden. Ich hatte bereits irgendwann mal in meinem Tagebuch erwaehnt, dass es mittlerweile nicht nur die Freaks gibt, die sich positiv auf eine Chinareise einstellen und mit vielen Dingen ganz anders umgehen koennen, die ein normaler Mitteleuropaer nicht verstehen wuerde. Mittlerweile wollen auch die Mallorca-Urlauber in dieses Land und vergessen natuerlich, Ausnahmen bestaetigen die Regel, sich auf ein vollkommen anderes Land mit anderer Kultur, anderen Lebensbedingungen, einem immer noch Entwicklungsland, auseinanderzusetzen...und darauf einzustellen... Diese Reisenden sind natuerlich gerade im Vorfeld der Olympischen Spiele eine Reibungsflaeche fuer den Staat, die er gerne vermeiden will und es auch sehr geschickt zu unterbinden versteht.

 

Obwohl die Daemmerung bereits die Nacht ankuendigte, haben wir nach einer kurzen Staerkung an einem der vielen mobilen Strassenrestaurants (Foto 2) einen kurzen freundlichen Blick in den kleinen Altstadtkern (Fotos 2,3,4) von Rongjiang geworfen. Mit uns ein kleiner Treck von Kindern (Foto 2)im Gefolge, die das Auftauchen eines Auslaenders immer als eine willkommene Gelegenheit sehen, schuechtern ihre Englischsprachkenntnisse zu testen.  Immer wieder besonders interessant ist es fuer mich , in die Kuechen (Foto 2) des 21. Jh. einer alten Wohnung zu schauen.

 

Rongjiang, 26.12.2007

Rongjiang ist eine nicht ganz so moderne Stadt. Sie ist eigentlich kein touristischer Anziehungspunkt, obwohl jaehrlich Tausende hierherkommen. Meistens sind sie auf der Durchreise und machen wegen der grossen Entfernung von Zhaoxing nach Kaili oder umgekehrt, Pause fuer eine Nacht. Fuer diesen Aufenthalt ist ein einfaches neues Hotel geschaffen worden. Rongjiang ist aber nicht unbekannt wegen der vielen Miao-Doerfer in seiner Umgebung.

Zum Glueck hatten wir immer einen schoenen langen Tag Zeit, um in den einzelnen Doerfern ausgiebig Neues oder Bekanntes erkunden bzw. besuchen zu koennen. So also auch hier in dieser Stadt mit seinen 72 Doerfern.

Wir hatten uns mit Hilfe eines Ortskundigen eins ausgesucht, das sicherlich kaum von Touristen besucht wird. Dieses Dorf heisst      Wu Jia Zai (Fotos 2,3,4,). Es war beeindruckend, als wir uns trauten, neugierig in eins der wenigen Haeuser zu gehen und miterleben konnten, wie einfach die Menschen heutzutage noch leben koennen, ohne auch ansatzweise ihren sonnigen Lebensmut zu verlieren. Sobald man wenige Kilometer aus den touristischen Ballungsgebieten heraus ist, trifft man auf sehr viel einfache Lebensqualitaeten.

Eine alte Frau gewaehrt uns freundlich Einlass. Sie ist ein wenig schuechtern, da solcher Besuch ungewohnt ist. Wie die andern Frauen im Dorf auch, traegt sie ihr traditionelles Miao-Kostuem. Ihre Kleidung sieht sehr warm aus. In einem sehr alten Haus sass sie unten in der ersten Etage (Foto 2) und war damit beschaeftigt, das Mittagessen vorzubereiten. Sie sass auf einem kleinen Holzhocker, fuer die chinesische Essweise sehr bequem. Es ist ein sehr niedriger, aber riesengrosser Raum, in dem alles technische zum Wohnen aufbewahrt und absolviert wird...das Kochen, das Mahlen des Getreides, das Unterbringen des Viehs, Lagern von Kuechengeraeten, Baumaterialien, sowie saemtlicher Bewirtschaftungsgegenstaende fuer das Terrassenfeld-Bestellen. In der
zweiten Etage befinden sich dann mehrere Schlaf- und 
Wohnraeume mit einem "auesserlichen" Vorraum.Die Wohn- und Schlafraeume sind sehr klein und ebenfalls niedrig, um die Waerme besser speichern zu koennen. Ein zentraler Aufenthaltsraum ist gross genug, um allen Familienmitgliedern ausreichend Platz zu bieten fuer das gemeinsame abendliche Kartenspielen, dem Essen oder dgl. Ein kleiner Abzug durch Herausnahme von zwei Dreiviertel-Brettern in der Decke reicht, um fuer eine saubere Belueftung zu sorgen. In einem der groesseren Raeume in der 2. Etage nahmen wir zusammen Platz. Ein kurzes Gespraech musste unsere Herkunft erst einmal aufklaeren, besonders die meiner. Fachlicher wurde das Gespraech, als wir die Aeltesten nach dem Dorf befragten. Sie schaetzen es auf ein Alter von mehr als 300 Jahre. Ca 35 Familien leben in diesem sehr einsamen kleinen Bergdorf. Geheiratet wird bei den Miao-Voelkern vorrangig in der Herbst- und Winterzeit. Dabei kommt am Tage der Hochzeit nach alter Tradition der Braeutigam zum Haus der Braut und muss um die Gunst seiner Auserwaehlten werben. Die Laenge des Gesangs, mit der die Werbung beginnt bestimmen die Alten. Dies geschieht hinter verschlossenen Tueren, ohne dass sich Braut und Braeutigam sehen . Erst, wenn die Braut als Antwort ihr Fenster oeffnet, dann wird der Braeutigam von ihr akzeptiert und die Heirat kann vollzogen werden. Wann sich jedoch die beiden Liebsten sehen, das bestimmen ebenfalls die Alten. Im Gesang dreht sich natuerlich alles um die Liebe. Der Gesang muss gut im Gefuehl und in seinen Worten sein, um der Braut zu gefallen.

Wenn die Alten den Zeitpunkt des Treffens festgelegt haben wird das grosse Fest gefeiert.

Fuer diesen freundlichen Aufenthalt haben wir gut 2 Stunden benoetigt und ganze 60,- Yuan bezahlt. Das ist ein Preis, mit dem jeder Taxifahrer zufrieden ist. Dadurch, dass die Taxifahrten innerhalb der Stadt generell 2,- Yuan kosten, sind natuerlich die entsprechenden Ueberlandfahrten angepasst...und trotzdem sehr preiswert.

In Rongjiang gibt es ganz in der Naehe dieser "Dorferhauptstadt" mit Cheijiang ein wunderschoenes Exemplar eines Trommelturmes zu besichtigen, wenn auch neueren Datums. Cheijiang ist 2 km von Rongjiang entfernt und wird kontinuierlich durch seine Erreichbarkeit von den Touristengruppen angesteuert. Trotzdem lohnt auch hier dieser kleine Abstecher, sind mit diesem  Dorfbesuch die alten Lebensweisen und die traditionellen kunstvollen Handarbeiten zu bestaunen. Fuer Reisende, die fuer diese schoene Gegend um Rongjiang zu wenig Zeit eingeplant haben, ist dieser kleine Schwenk empfehlenswert.

 

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