Strassenverkehr am Morgen oder zum Feierabend...

 

Jeden Morgen bin ich mit meinem Fahrrad unterwegs zur Arbeit. Ich habe einen Anfahrtsweg von vielleicht 20 Minuten, wenn mich die Eiseskaelte von der letzten Nacht noch im Griff hat, ansonsten bin ich fuenf Minuten schneller. Sicherlich koennte ich auch den 22-er Bus nehmen und mich in der Fuelle wohlig warm fuehlen. Alle 5-8 Minuten faehrt dieser dann zickzack durch die Gegend bis zum Zentrum. Mein geradliniger Weg ist jedoch um 10 Minuten schneller, ausserdem sind die Bewegungen gerade in der anschliessenden Buerokaelte ganz angenehm. Es ist aber nicht nur dies der Grund fuer meine morgentliche Radtour. Der Strassenverkehr ist es....das morgendliche Wachwerden der Stadt ist jedes Mal eine kleine kuehle Strapaze wert. Fuenf Minuten von meiner Haustuer entfernt ueberquere ich die erste Kreuzung, an der man wirklich wachsam sein muss. Hier kommt es schon mal vor, dass ein Menschenauflauf von weiten einen kleinen Verkehrsunfall ankuendigt. Die beteiligten Fahrzeuge kann man kaum erkennen, viel zu wissbegierig sind die Chinesen schon am fruehen Morgen, als dass sie vielleicht weiter zur Arbeit gehen wuerden. Das passiert vielleicht alle 14 Tage einmal, also eher selten bei diesem dicken Morgenverkehr. Wenn sich jedoch zwei beruehrt haben, dann sind das ueberwiegend kleine Schaeden. Keiner passiert eine Kreuzung mit hoher Geschwindigkeit. Auf dieser Kreuzung gibt es keine Verkehrsodnung, nur das Fingespitzengefuehl jedes einzelnen und seine Ruecksichtnahme. Da man sich den Kreuzungen nur tastend naehert, um wie in einem Knauel das Nadeloehr fuer sich zu finden, bewegt sich im Epizentrum alles in Schritttempo oder noch langsamer. Jede Richtungsbewegung des anderen wird klar registriert, es wird nicht hin und hergezuckt. Ein hin und her auf der Kreuzung gibt es so gut wie nie zu sehen. Zielgerichtet gibt jeder bei niedrigster Geschwindigkeit seine Richtung an, die er tunlichst beibehalten sollte. Jedes nochmalige Reagieren koennte die Kontaktwahrscheinlichkeit um ein Vielfaches erhoehen, ist man dann doch schon zu nahe am anderen dran. Jeden Morgen die gleichen spannenden Momente. Der Guiliner mit seinem Verkehrsmittel, ganz gleich ob Fahrrad, Moped, Auto oder Groesserem schaut nach vorn. Er schaut einach nach vorn, selbst in abbiegenden Momenten, wo ich als Europaer manchmal die Augen zusammenkneife, als wenn mich ploetzlich Zahnschmerzen ueberfallen haetten. Auf alles, was sich vor mir bewegt, reagiert der Verkehrsteilnehmer. Der Luxus, nach rechts oder links schauen, ist jedem selbst ueberlassen. Eigentlich brauch er das nicht, da er doch fuer den Fall einer Fahrspurkreuzung durch den anderen angehupt wird. Erst dann wendet sich der guiliner Verkehrsteilnehmer kurz in die Richtung, aus der der warnende Hinweis kam. Jetzt wird reagiert, gebremst, ausgewichen oder faehrt einfach weiter, damit der andere eine von diesen drei Moeglichkeiten fuer sich auswerten kann, was er weiter tun muss. Nach hinten schauen, das ist nur etwas fuer die Auslaender, die es anders nicht gewohnt sind. Vollkommen ueberfluessig,...ist doch Rueckwaertsschauen  ganz klar Verlust der fuehrenden Position. Ich weiss es immer nicht so richtig zu definieren. Die Chinesen sind sehr vorsichtig, umsichtig, trotzdem forsch, aber im allerletzten Moment ruecksichtsvoll dem anderen gegenueber. Und das korioseste an der Geschichte...es geschieht alles mit einer konzentrierten Ruhe. Wo Deutsche dreimal auf dem Baum waeren oder keine schoenen Worte fallen lassen wuerden, dort ist der chinesische Verkehrsteilnehmer die Gelassenheit in Person. Er laesst sich auf keinen Fall aus seiner Ruhe bringen, ist die doch wichtig, um konzentriert jede Situation zu beherrschen....

 

...und das nicht nur im Strassenverkehr  :-)

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