Der unverhoffte Besuch in Yongzhou

 

 

Samstagmorgen um 9:00 Uhr. Spaet aus den Federn gekommen wegen der langen Olympia-Naechte auch erst spaet …zu spaet aufgestanden, um den Zug nach Xing’an in Ruhe zu erreichen. 10 Uhr und etwas in den 50-iger Minuten faehrt er vom Nordbahnhof los. Den Fahrkartenschalter am Bahnhof gleich weggelassen wegen der vielen wahrscheinlich ebenfalls Spaetaufsteher, sofort in den Wartesaal. Eigenartigerweise wollten heute viel mehr nach Xing’an als am letzten Samstag. Mein Gesicht hatte ich noch nicht so richtig gefunden, da liess die Bahnhofswaerterin die vielen Wartenden endlich auf den Bahnsteig. In China ist es immer so, dass aus Sicherheitsgruenden die Fahrgaeste nach dem Einfahren des Zuges auf den Bahnsteig gelassen werden…es sei denn, der Zug hat Verspaetung, was in China nicht oft vorkommt und mir jedes Mal ein Raetsel ist bei den riesigen Entfernungen im Lande.

Aber wie gesagt, ab in den Zug und ran an den Zugbegleiter, der die Tickets im Zug verkauft. Ich sagte ihm, was ich gerne wollte…zwei Ticket nach Xing’an…. Ein riesen Schwall von freundlichen bis erstaunten und verdutzten Worten kam mir entgegen, so dass ich seine parallel dazu erklaerenden Gebaehrden richtig verstehen musste. Es gibt in diesem Zug kein Ticket nach Xing’an…..welch Entsetzen oder Entgleisen meiner Gesichtszuege am fruehen Morgen bekam er zurueck. Der Zug war auf dem schnellsten Wege nach sonstwohin unterwegs, nur nicht nach Xing’an. Ich hatte da wohl etwas verwechselt…Naechste Bahnstation war Yongzhou, 180 Kilometer von Guilin entfernt, 120 Kilometer weiter als geplant. Unsere Kilometerpauschale fuers Wochenende war in diesem Moment aufgebraucht. Fuer 40 Yuan pro Person ging es anstatt der geplanten 3 Yuan nach Xingan auf nach Yongzhou…nie etwas gehoert von diesem chinesischen Ort. Mit unserem hochwertigen Ticket fuer 40 Yuan und ohne Sitzplatz ging es quer durch den Zug. Die Gaeste starrten uns an, als wenn wir die Sitzplaetze zaehlen wollten, so langsam gingen wir von Sitzreihe zu Sitzreihe. Dabei wollten wir nur nach einem Sitzplatz Ausschau halten und nichts weiter, Dass wir so langsam vorangingen, hing wirklich nur mit dem wenigen Platz zusammen, den wir zum Vorwaertsgehen hatten. Nach vorne schauen ging nicht, sofort hatte ich weichen Untergrund unter meinen Fuessen mit Gesangsbeilage. Nach tatsaechlich einer halben Stunde und vier Wagenlaengen erreichten wir mit Muehe und Not den rettenden Speisewagen. Zum Glueck hatten wir die richtige Richtung eingeschlagen. Der Zug war uebervoll, ich der einzige Auslaender weit und breit, was fuer den Rest des Tages auch so bleiben sollte. Die vielen Chinesen hatten auch wirklich nicht einen Auslaender in diesem Abteil erwartet, das sagten mir ihre grossen Augen. Also gedanklich stellten wir uns auf einen gemuetlichen Tag im Zug ein und auf ein gesprengtes Reisebudget. Leider war im Zug keiner, der uns den Mehrbetrag haette geben wollen, wir fragten aber auch nicht ……

Yongzhou war nach 2 1/2 Stunden erreicht, eine mittlere chinesische Grossstadt, die am Entfalten war, wie sie im chinesischen Lehrbuch stand.  Moderner Bahnhof, der aber schon sehr mitgenommen aussah, weit ausserhalb der Stadt, um genuegend Platz fuer den noch nicht vorhandenen Rest der Stadt zu lassen. Mit dem Bus ist der Stadtkern, der einen Radius von 500 Meter hat, schnell erreicht. Alles im aelteren modernen chinesischen Stil, ohne Aufregung zu verbreiten, keine westlichen Tendenzen, die sich klar heraushoben, alles im Entwickeln, neue Geschaefte, ein wenig unaufgeraeumt, wo man hinschaute…Das kam mir alles sehr chinesisch vor und war irgendwie neu fuer mich, hatte ich derartiges chinesisches Leben mit Chinesen unter sich in einer angehenden Metrople noch nicht erlebt....Bis dato war immer wenigstens ein Auslaender in Sichtweite...

Es war aeusserst interessant fuer mich. Ich fuehlte mich in eine andere Zeit zurueckversetzt, ohne dass ich unsicher werden musste bei dem, was ich sah.. Viele grosse Augen kamen mir hier wieder entgegen. Ich war ein Ausserirdischer, das war sonnenklar. Juan zerrte ich in den ersten Internetshop und sagte ihr, wir muessen hier etwas herausfinden, um die drei Stunden Aufenthalt bis zu unserer Rueckfahrt zu kompensieren. Wir brauchten dringend ein herzerfrischendes Erfolgserlebnis, das wir uns vorher mit einem Eis besorgen wollten, es aber nicht geklappt hat, da wir zu spaet den echten KFC erspaeht hatten. Wann  hatte ich schon mal ein Eis stehen lassen…weiss ich nicht…egal. Das Internet versprach uns zu helfen. Eine Pagode tat sich uns auf, wie in einem Maerchen, es war das Einzige, was uns in naechster Nahe gluecklich machen konnte. Wir raus und auf nach Ling Ling Town…..Es galt die Nadel im Heuhaufen zu finden. Wie in einem Labyrinth mit tatsaechlich nur einem Ausgang kamen wir uns vor bei der Suche und dem vielen Fragen nach einem Bus, der uns nach Ling Ling bringen konnte. Wieder etwas an Zeit eingebuesst, noch aber im Plan liegend. Endlich im Bus….die naechste nuechterne Erkenntnis. Fast eine Stunde brauchten wir fuer die 21 Kilometer. Ich auf die Uhr und mir war schon fast so, als wenn wir gleich wieder den naechsten zuruecknehmen muessten….ohne Lichtblick fuer heute.. Ich nahm den Kopf schon gar nicht mehr hoch, sondern rechnete nur noch in Minuten, anstatt Stunden fuer meine Pagode. Ling Ling war erreicht und die Pagode nach der Auskunft freundlicher Fahrgaeste nicht weit und fuer die Rueckfahrt gibt es auch einen Schnellbus, der bis zum Bahnhof faehrt, was zwar nicht stimmte, aber schnell fuehrte er uns dann bis Yongzhou zurueck. Ein mir fast peinlicher Besuch der Pagode wird dem Aufsichtspersonal ein besonderes Erlebnis fuer immer bleiben. Nicht mal fuenf MInuten verweilten wir hier. Kam schon mal Besuch in diese Gegend, dazu nun noch auch nach 100 Jahren erstmals ein Auslaender, dann ruecken die nach nicht mal 5 Minuten wieder ab. Die drei netten Herren haben wir aus dem staunenden Laecheln nicht mehr herausbekommen. Sie scheinen aber verstanden zu haben, was ihnen Juan ganz kurz versuchte zu erklaeren, moechten doch die Chinesen immer ganz gerne alles so genau wie moeglich wissen, wenn es sich um solch ein Naturereignis handelt.

          

Vorsorglich hatten wir den Motorbiker mit erhoehtem Trinkgeld festgenagelt, um uns schnell bis zum Ex-Bus zu bringen. Der Rueckweg war wirklich reibungslos und der Bus wirklich auch ein Expressbus. Seine Bestmarke stand dann bei 25 Minuten. Zeit hatten wir, um uns wenigsten nach einem Taxi umschauen zu koennen und nach drei Fehlanlaeufen nicht gleich ins Schwitzen zu kommen. Wir hatten Sitzplatz im Zug nach Xing’an, der auch endlich dort halten sollte.

Die Pagode, die wir uns anschauten, war ein schoener mingzeitlicher Bau mit stolzen 400 Jahren auf dem Ruecken, eine schoene Steinpagode, die irgendwann ueberholt wurde. Mehr weiss ich leider nicht von ihr. Werde aber diese Gegend nochmal aufsuchen, befindet sich auf der anderen Flussseite, 5 km entfernt, eine Tempelanlage. Irgendwann sehen wir uns also wieder bei einem Besuch in Yongzhou, der gar nicht so uninteressant war…