Ein Spaziergang durch die Song-Dynastie...

      

Tagebucheintrag vom 12.09.2006: 

 

“…Zwischen heute und dem letzten Tagebucheintrag vom 9.9.2006 lag wieder ein spannender Sonntag. Es ging diesmal in den Norden der Provinz, nach Xing’an, 90 Kilometer von Guilin entfernt.

Kurzfristig entschieden wir uns, zusaetzlich einen Vormittagsabstecher nach Daxu zu machen, einer ebenfalls sehr alten Stadt . Daxu liegt rund 25 Kilometer suedoestlich von

Guilin. Zeitig sassen wir im Bus, der vom Suedplatz von Guilin abfaehrt. Daxu war schnell erreicht. Der Altstadtkern mit seiner 1000 jaehrigen Geschichte lag ganz in der Naehe der Hauptstrasse.

 

Nach fuenf Minuten kam ich erwartungsvoll um die Ecke und sah, was ich nicht sehen wollte…ein wenig enttaeuscht naeherte ich mich der besagten Dorfstrasse. Diese kleine schmale Gasse war schon nicht sehr breit und rechts und links vor den grossen alten Tueren, die wie einzelne Bretter herauszunehmen waren, sassen die Anwohner “unantastbar” fuer den Besucher und warteten auf die versprochenen Touristen. Alles war mit grossen Warentischen vollgestellt,  dicht an dicht. Damit die Sonne den Verkaeufern nicht so sehr zu schaffen machte – verstaendlich – hingen ganz tief dunkelgraue bis schwarze Vorhaenge quer ueber die Strasse, von einer Hausseite zur anderen und nahmen der historischen Romantik aber auch alles weg. Es blieb mir nichts anderes uebrig, wie in einer Touristengasse der Dorfgasse von einem Ende zum anderen Ende zu gehen, bildeten doch die Tische ein undurchdringliches Spalier. Ich hatte ueberhaupt kein Problem, meine Fototasche geschlossen zu lassen…das soll schon etwas heissen . Ich war ziemlich traurig. Von Ladentisch zu Ladenttisch hangelte ich mich freundlich zum Ende des Altstadtkerns und wollte nicht glauben, nicht einen geschichtlichen oder kunstvollen Eindruck mitnehmen zu koennen. Ich schaute nochmal in das Prospekt und schuettelte innerlich unverstaendlich den Kopf. Dass die Menschen davon gut leben sollen, ist die eine wuenschenswerte Seite. Die andere kam nur leider mehr als nur zu kurz, was sicherlich irgendwann wie ein Bummerang wirken kann…..”

 

 

Dieser Eintrag liegt jetzt also schon ueber eineinhalb Jahre zurueck und bestimmt wird sich die Situation in Daxu nicht veraendert haben, lediglich, dass die Individualtouristen diesen Streifen mehr meiden als die Gruppenreisenden. 

 

 

Nach den vielen bewoelkten und so verregneten Tagen in den letzten vier Wochen war nicht nur der heutige Sonnenschein Grund zum richtigen Durchatmen, sondern auch der kurze Besuch eines Dorfes ganz in der Naehe von Daxu. Im Internet waren aehnlich wie in Jiang Tou Cun und Di Tang Cun interessante Schnitzereien von Tueren und Fenstern zur kurzen Erklaerung eines Dorfes eingeblendet. Das Dorf schien mir interessant zu sein. Keine 20 Minuten mit dem Dreirad-Taxi von Daxu entfernt liegt Chiong Cun, durch das man unwissenderweise nur hindurchfahren wuerde. Viele Neubauten kann man mittlerweile in fast jedem der vielen Doerfer um Guilin sehen, und so war die Dorfstrasse gesaeumt von weniger alten und neuen Haeusern. Aber wenn der Taxifahrer weiss, welches Dorf angesteuert werden soll, dann weiss er natuerlich auch mehr und somit den richtigen Weg durch die Phalance der Neubauten, um uns wirklich Erstauntes zu zeigen.

Diese kleine Dorf-Gasse aehnelte im ersten Moment der von Daxu, was die Bausubstanz und Bauweise anging. Was wir aber hier dann naeher zu sehen bekammen, war einfach nur beeindruckend. Wir trauten unseren Augen nicht. Dieses 1000 Jahre alte Dorf aus der Zeit der Song-Dynastie (960-1279 u.Z.) beherbergte kunstvolle Holzarbeiten ohne Ende. Die Wohnhaeuser mit ihren Einrichtungen waren komplett aus Holz, was ein besonderes Flair ausstrahlte. Nur die Schutzmauern zwischen den einzelnen Haeusern waren aus Stein, um beim Ausbrechen eines Feuers das Uebergreifen auf das Nachbarhaus zu verhindern. Es war eine beeindruckende Kulisse. Ueberall waren tausendjaehrige Schnitzarbeiten zu sehen an Fenstern,Tueren, Decken und Seitenwaenden, an Moebelstuecken, die schon lange nicht mehr benutz und von den Bewohnern gehegt und gepflegt und uns mit Stolz gezeigt wurden. Alles war aus Holz, der man die gewaltige Zeit ansah und trotzdem kunstvoll beeindruckte. Selbst verschiedene Farbtupfer waren vereinzelt noch auszumachen, die die Schnitzereien zierten...

 

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